Mythos Initiativenszene

Die Zeitmaschine von Facebook hat mir gerade einen Text vom 23. April 2021 aus dem Stapel gezogen.

Seinerzeit: Basisarbeit auf Wanderschaft.

Ich hatte damals massive Zweifel angemeldet, daß mein Milieu ein Selbstverständnis nach außen trägt, welches auf einer halbwegs aktuellen Reflexion des eigenen Weges beruht. Meine Zweifel haben sich in der aktuellen Situation vertieft. Eine laufende Kampagne unter dem Slogan „Kulturland retten“ suggeriert ja, daß dieses „Kulturland Steiermark“ am untergehen sei und daher solcher Rettung bedürfe.

Ich lehne diese Deutung ab und halte sie für einen überzogenen, recht propagandistischen Alarmismus, der noch dazu mit allerhand Funktionärs-Sprech verbreitet wird. Ich bin eine altgediente Kraft dieses Metiers und erkenne sehr wohl die derzeitigen Probleme und den politischen Druck auf unser Arbeitsfeld.

Ich meine aber, darauf muß man inhaltlich und strategisch reagieren, nicht mit Propaganda. Ich nehme freilich zur Kenntnis, daß in diesen Fragen Antwortvielfalt unverzichtbar ist. Also bleibt mein vorläufiges Fazit: Wir haben Dissens!

Meine Notiz von 2021
es wird ihnen nicht verborgen geblieben sein: ich bin so frei, nach über 40 jahren berufspraxis in diesem metier der wissens- und kulturarbeit, der kunstpraxis in vielen facetten, daran zu zweifeln, daß es eine „szene“, wahlweise eine „initiativenszene“ gibt, die in größerer breite quer durchs land belegbar wäre.

ich nehme gerne an, daß in einer zuscheibung von außen dieser eindruck dennoch besteht und daß es nützliche begriffe sind, wenn man auf der metaebene zu tun hat, respektive in der verwaltung sein brot verdient.

aber als primäre kraft des metiers findet man bestenfall lager und projekte, initiativen mit regionalen und zeitlichen grenzen. diese oder jene ausnahme ändert nichts am gesamtbild. ich habe schon lange den verdacht, da werden einfach alte denkmuster und konzepte reproduziert, fortgeschrieben, wenn in manchen momenten nach SOLIDARITÄT gerufen wird.

es ist so sehr 19. jahrhundert, wenn eine SZENE beschworen wird, eine FRONTSTELLUNG zu einem wie auch immer definierten establishment. aber was genau ist denn das „freie“ im kontrast zum „establishment“? was sind die kriterien?

zu den bliebten phantasmen gehört ebenso der angebliche schulterschluß zwischen leuten aus unterschiedlichen kultur-formationen, die praktisch nie an einen gemeinsamen tisch finden. aber wo eine einzelperson unter druck gerät, erschallt vorhersehbar ein solidaritätsruf an alle. (können wir daran nur denken, wenn wir in schwierigkeiten stecken?)

mir würde es gefallen, wenn wir aktuell erst einmal klären wollten, was genau UNS VERBINDET. da hätte ich gerne etwas präzision und ein wenig mehr intellektuelle selbstachtung. ich meine, wir sollten folgende hypothese auf ihre stichhaltigkeit überprüfen und sie – wenn es geht – falsifizieren: am lautesten rufen jene nach „solidarität“, die am meisten zu verlieren haben.

ich werde mit dieser glosse die kleine serie zum stichwort „initiativenszene“ erst einmal abschließen und mich dem thema AUTONOMIE zuwenden. da will ich dann mit einer kleinen skizze beginnen, die einen ausgangspunkt ergeben soll, der auch das thema initiativenszene erhellt.

+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)
+) Konferenz der Provinz (Eine offene Konferenz und kulturpolitische Arbeitsplattform)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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