Kulturpolitik: An der Basis IV

Die Kulturformation „Archipel“ basiert unter anderem auf Erfahrungen, die ich über Jahre mit dem Projekt „Kunst Ost“ gesammelt hab.

Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz hat fundamental andere bedingungen als jene im Landeszentrum.

Das ging wiederum aus „Kultur.at“ hervor. Hier ist also von nun 25 Jahren Praxis der regionalen Wissens- und Kulturarbeit in solchen Formationen die Rede; insgesamt aber von gut 40 Jahren. Diese Arbeit in der Provinz, also abseits des Landeszentrums, verlangt grundlegend andere Strategien als vergleichbares Engagement in Graz.

Ich finde diesen Punkt in aktuellen kulturpolitischen Bewegungen der Steiermark eher unberücksichtigt. Aber das hat Tradition und beschäftigt mich inzwischen nicht mehr. Für den „Archipel“ wie für „Kunst Ost“ gilt: Es wird nicht zentralisiert! Darin liegt auch das Wesen des Archipelischen. (Es entspringt einer außereuropäischen Denkweise.)

Es gibt natürlich eine Basis-Crew, von der alles koordiniert wird. Aber jede weitere Position ist auf autonome Art im Spiel. Dazu braucht es bloß eine Schlüsselperson, mit der Vereinbarungen getroffen werden können. Die Praxis ist dann interne Sache der jeweils autonomen Orts-Formation.

Im „Archipel“ geht es daher um Kooperation und Selbstverantwortung. Da appelliere ich nicht an die Bereitschaft zur Solidarität, sondern an ernsthafte Paktfähigkeit. Das eine mag ein Gefühl sein, eine Haltung, aber ich will jemandes Gesinnung nicht als Kriterium einführen. Das andere ist die Art, wie jemand mit Vereinbarungen umgeht. Das kann ich gut überprüfen, weil es mir zusteht, denn ich darf erwarten, daß ein Pakt kein Schwindel ist.

Was kam danach an Diskurs und Befunden?

Das hat sich so bei „Kunst Ost“ bewährt. Auf die Art entstehen dann manchmal ganz eigenständige Vorhaben, die sich eventuell als Kulturprojekt etablieren und dabei eigenständige Wege gehen. Ich halte das für einen Vorteil, weil sich so ein stabiles Feld auftut, indem eine neue Initiative dem Ursprung sowieso verbunden bleibt, falls man miteinander gute Erfahrungen gemacht hat.

Das Verbindende beruht also nicht auf Solidaritätsrufen, sondern auf gemeinsamen Schritten, denen man eine Zukunft wünscht. Ich nehme freilich an, das ist bloß eine Varianten unter anderen, die sich ebenfalls bewähren können.

Mir fehlt immer noch ein aktueller Diskurs mit adäquater Dokumentation, um sicherzustellen, daß wir uns in der Steiermark kulturpolitisch auf der Höhe der Zeit bewegen. Das Projekt „Fair pay“ hatte schon rund zehn Jahre in einer Schublade Staub angesetzt, als es nach den Corona-Lockdowns wiederbelebt wurde.

Die „Sektor 3-Publikationen“ der IG Kultur Österreich sind rund 25 Jahre alt. Die famosen Arbeiten von Jeff Bernard zur „Szene“ erschienen zwischen 1990 und 1995. Ich hoffe, Sie können mir zustimmen, daß sich zwischen 1990, 2000 und heute derart radikale Verschiebungen in vielen gesellschaftlichen Belangen ergeben haben, da wage ich zu bezweifeln, daß kulturpolitische Strategien, die wenigstens zehn Jahre alt sind, uns voranbringen. Es besteht Klärungsbedarf! (Fortsetzung)

+) Vorlauf: Kulturpolitik: An der Basis III
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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