Ich verstehe wahrscheinlich, daß unscharfer Kulturpessimismus sich als Reaktion auf eine Modernisierungskrise eignet, sogar bewährt.
Daß sich aber im Kulturvölkchen etliche Leute ohne weiteres als Wasserträger zur Verfügung stellen, um im Dienste anderer Verkünder vaterländische Narrative, Nationalkitsch und allerhand unscharfes Geschwätz zu verbreiten, finde ich beunruhigend.
Was sich dabei vielfach als „Kritik“ ausgibt, ist bloß ein Weiterreichen von Vorgefundenem, das einem selbst zusagt, weil es die eigenen Ansichten illustriert. Das hat natürlich mit Kritik überhaupt nichts zu tun.
Kritik handelt schließlich vom Vergleichen, damit man dann begründen kann, weshalb man die eine Option bevorzugt, die andere ablehnt. Also begründen statt verkünden. Wer mir diesen Modus vorenthält, erweckt sofort mein Mißtrauen. Ist es so schwierig, seine Gründe offenzulegen?
Es ist anmaßend, so zu tun, als wären die Dinge ohnehin klar. Dabei sollte es einfach sein, redklich vorzugehen:
+) Ich nenne die Aussage oder den Umstand, an der/dem ich mich stoße, ein Zitat.
+) Ich nenne die Quelle, damit überprüft werden kann, ob ich korrekt zitiert habe
+) und damit sich klären läßt, was mein Einwand taugt.
+) Dieser Einwand muß dann auch formuliert werden: Das ist meine Kritik.
Dagegen ist diese schlampige Ausrede von der „konstruktiven“ und „destruktiven Kritik“ bloß Schwampf. Ich brauche nachvollziehbare Kritik. Dabei mögen wir eventuell auch im Dissens verbleiben, aber ich vermag die Position meines Gegenübers zu respektieren; weil ich sie verstehen kann. Ich muß sie nicht teilen.
Genau das ist nötig, wenn ich eine Demokratie an eine pluralistische Gesellschaft gebunden sehe, was Antwortvielfalt verlangt. Wir müssen keineswegs einer Meinung sein, aber ich sollte die andere Meinung verstehen können. Genau das bedarf der Begründung.
Klugscheißer beuteln sich da einfach ab und pflegen Schuldumkehr: Die anderen sind alle Lügner! Um es mit den Worten der geistreichen Psychologin Heidi Kastner auszudrücken, das geht so: „Dem wahrhaft Wissenden kann solche Kritik nichts anhaben.“ (Von ihr stammt auch die nützliche Frage: „Wollen Sie diskutieren oder recht haben?“) „Wahrhaft Wissende“ operieren mit der Behauptung von Geheimwissen, aus dem sie Herrschaftswissen zu drechseln versuchen.
Vor einiger Zeit hatten wir in Gleisdorf eine Welle der Ömpörung, in der sich Ömpörte mit Lautsprecheranlagen ausgerüstet haben, um zu verkünden, was das Zeug hält. Ich mußte mir ihre Beteuerungen über viele Wochen hinweg an jeweils zwei Abenden anhören. Das kam als legitimes Protestverhalten von der Straße her. Da wurde getrommelt, gepfiffen, skandiert, es wurden auch Reden gehalten.
Ich hätte erwartet, daß sich diese Kraft demokratischer Aufraffung danach im Gemeinwesen entfalten und entsprechend zeigen werde. Etwa als kulturelle und/oder politische Initiative, die inhaltliche Arbeit leistet und sich über geeignete Schritte an die Menschen dieser Region wendet, Diskursbeiträge anbietet, die Debatte sucht.
So kam es aber nicht. Also war jene Gleisdorfer Ömpörung, als demokratische Aufraffung kostümiert, etwa von der Qualität einer Bierzelt-Rauferei. Wenn es gerade paßte, hat man sich zusammengerottet und mit allem Verfügbaren draufgehauen. Mehr nicht.
Naja, ich finde bei einzelnen exponierten Leuten von damals via Social Media heute noch so eine Art aufklärerisches Gewinsel, das auf die nämliche Art funktioniert. Man postet Zitate und Memes, Videos und Verlautbarungen, die von anderen Leuten stammen. Eigene Aussagen fehlen weitgehend. Man bleibt Wasserträger, Lakai, Untertan, ganz im Dienste anderer Verkünder, im Dienste von Liebe, Freiheit und Demokratie.
+) Vorlauf: Klugscheißer-Brigade II
+) Rechtsruck (Die Übersicht)