Ich kann mir ein blühendes Gemeinwesen ohne taugliche Kooperationen überhaupt nicht vorstellen. Das beruht auf Absprachen und Übereinkünften. Die Gegenposition dazu wäre Tyrannei.

Was im Land „Die Szene“ genannt wird, meint die „freie Initiativenszene“, wahlweise die „autonome Initiativenszene“. Das mag in den 1970ern noch eine verständliche Sprachregelung gewesen sein. Damals brachen Leute wie ich auf, um sich gegenüber etablierten Einrichtungen und einer paternalistischen Kulturpolitik zu emanzipieren. Heute werden diese Begriffe so beliebig eingesetzt, daß sie eigentlich nichts mehr erklären.
Ich gehöre dem Archipel an, einer Kulturformation, die sich der Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz, also abseits des Landeszentrums, verpflichtet hat. Das ist eine private Initiative, in der wir vieles aus eigener Kraft schaffen, manchmal Kooperationen eingehen und natürlich nicht nein sagen, wenn sich Kofinanzierungen erreichen lassen.
Selbstbestimmung ist dabei ein hohes Gut. Wo aber Deals anstehen, schaffen wir Klarheit, welche Art Deal das ist. Das Tragende des Archipels kommt aus dem Kern und aus privater Initiative: Eigenleistungen. Dann sind aber auch denkbar und machbar:
a) Mäzenatentum
b) Sponsoring
c) Kofinanzierung
Ich werde es später noch genauer erläutern. Vorweg zur groben Orientierung: a) Mäzenatentum gibt und verlangt dafür nichts bestimmtes. b) Sponsoring gibt für einen Leistungsaustausch, erwartet dann etwas. c) Kofinanzierung trägt zu einem gemeinsamen Vorhaben bei. (Ich zähle Subventionen, staatliche Förderungen, zum dritten Bereich.)
Ich wünschte mir generell etwas mehr Genauigkeit bei der Verwendung von solchen Begriffen, denn da blühen zuweilen Privatmythologien, um nicht klären zu müssen, was der Fall ist. Zu den populärsten Mythen unseres Milieus gehört die Solidarität.
Das wird gerne verlautbart, wenn die Zeiten und Zustände holprig sind. Zuletzt anläßlich Corona und später, da die Steiermark einen Landeshauptmann aus den Reihen der FPÖ erhielt. Brechen Budgets ein, haben erstens vorzugsweise die anderen Schuld und werden zweitens Solidaritätsverpflichtungen ausgerufen, wahlweise die Solidarität beschworen wie eine Reliquie.

In den rund 50 Jahren, die ich zum Betrieb gehöre, hab ich solidarische Akte ausschließlich in zeitlicher und örtlicher Begrenzung erlebt, aber insgesamt nur sehr selten. Nicht einmal feministische Zirkel, mit denen ich grade wieder enger zu tun hab, können auf die Klage über den Mangel an Solidarität (unter Frauen) verzichten. „Girls support Girls“ gehört offenbar auch eher zu den sozialen Raritäten, obwohl Frauenleben allgemein härterer Bedingungen haben als die von Männern.
Von mir werden Sie keinen Solidaritätsaufruf hören. Sowas ist mir im Inhalt und in der Adresse viel zu unscharf, zu beliebig. Außerdem habe ich aus den letzten Jahrzenten keine ermutigenden Erfahrungen, um Solidarität für eine relevante Kategorie zu halten.
Ich bevorzuge ein Bestehen auf Pakttreue. Was wir vereinbart haben, das zählt. Können Sie unsere Vereinbarung nicht einhalten, den Pakt nicht bedienen, erwarte ich zweierlei:
+) Sagen Sie es von sich aus und verschleppen Sie diese Klärung nicht.
+) Machen Sie von sich aus einen Vorschlag zur Kompensation, zur Lösung. Irgendeinen Vorschlag. (Und sei es bloß: „Das mußt Du jetzt bitte alleine schaffen, denn ich kann es nicht.“)
Das fände ich fair. Sollte beides unterbleiben werde ich annehmen, daß Sie auf meine Kosten zu expandierten gedenken. Da bräuchte ich über die samtig unscharfe Solidarität nicht mehr nachzudenken. Die ist für mich ein ethisches Konzept zweiter Ordnung gegenüber der Pakttreue als ethischem Konzept erster Ordnung. Halten Sie einfach Wort, dann sehen wir weiter. (Fortsetzung)
+) Vorlauf: Kulturpolitik: An der Basis II
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)
Weiterführend
Ich hab im Austria-Forum einige „Kulturpolitische Annahmen und Behauptungen“ publiziert, dabei auch das Rhema Solidarität aufgegriffen. Eine Debatte konnte ich zu all dem nicht erleben. Es gab bloß einmal Post von einem Rechtsanwalt, weil sich jemand aus der Kulturabteilung des Landes Steiermark ebenso im Ruf geschädigt fühlte, wie eine Person aus dem Vorstand der IG Kultur Steiermark. Auch das war für keine Debatte in der „Szene“ gut. Sie ahnen gewiß, was ich aus solchen Entwicklungen schließe. Hier der Link!