Kulturpolitik: An der Basis II

Ehrenamt in der Wissens- und Kulturarbeit ist eine Möglichkeit, für Kontinuität und Autonomie zu sorgen. Kann man durch Hauptamt ergänzen, klappt aber auch so.

Laufenen Diskurse, unbezahlte Stunden (von links): Robert Fimbinger (Produktionsleiter der Edition Keiper), Micky Tieber (Frontman der „Alltagsklassiker“) und Norbert Gall (Head of Marketing der Hight Tech-Schmiede Lithoz)

Ich bin jetzt seit Jahrzehnten aktiver Teil des Geschehens und hab sehr oft gesehen, daß engagierte Leute nicht fähig sind, Ehrenamt und Hauptamt effizient zu kombinieren. Geld ist ja bloß eine von mehreren Währungen, mit denen Leistungen abgegolten werden können. Aber da sind manche Genies oft schon wegen eher kleiner Beträge, die jemand anderer abrechnen kann, neben der Spur und schmeißen hin.

Welchen Lebensstandard dürfte diese Gesellschaft noch genießen, wenn wir alle unbezahlte Arbeit aus dem Gemeinwesen herausnehmen würden? (Da rede ich noch gar nicht von unbezahlter Care-Arbeit, die überwiegend von Frauen erbracht wird.) Und weshalb sprechen Leute von „autonomen“ oder „freien“ Kulturinitiativen, wenn diese nur durch staatliche Subvention überhaupt Bestand haben, also staatsnahe Betriebe sind?

Ich finde, Semantik wiegt schwer. Aber mit all diesen Fragen befasse ich mich längst nicht mehr, weil man damit bloß nutzlos im Kreis rennt. Ich hab ja die Freiheit, Dinge anders zu handhaben. Bezahlte Arbeit ist ein Deal, dessen Details vorab verhandelt werden. Es kann etwas nicht unbezahlt beginnen, um dann plötzlich eine Honorarforderung nach sich zu ziehen.

Für mein unbezahltes Engagement habe ich drei grundlegende Kriterien, mit denen ich entscheide, ob ich etwas anpacke oder nicht:
1) Das rationale Kriterium: Taugt der Inhalt etwas? Ist es wichtig?
2) Das emotionale Kriterium: Fühlt es sich richtig an?
3) Das strukturelle Kriterium: Kann ich es und hab ich dafür Zeit?

Ich werde immer wieder gefragt: Und was hast du davon? Ich weiß ja nicht, wie Sie Sinnstiftung praktisch umsetzen. Ich mache sehr gute Erfahrungen damit, meine Kompetenzen in etwas Gemeinsames einzubringen, wodurch dann jemand sein Standing verbessern kann oder die ganze Situation sich – auch zu meinen Gunsten – verbessert.

Ich hab jetzt bald 70 Jahre auf dem Tacho. Aus dieser Zeitspanne und all meinen Aktivitäten weiß ich mit Sicherheit zweierlei:
1) Niemand ist alleine schlau. Das spricht sehr für eine stabile und anregende Community, in der man willkommen ist.
2) Was dabei anderen Leuten gelingt, stärkt den Boden, auf dem auch ich mit meinen Anliegen vorankomme.

Und wie kann so eine Situation stabil bleiben? Indem niemand vom Gefälligkeitskonto bloß abhebt, sondern auch was einbringt. Indem Verteilungsgerechtigkeit gesichert wird und niemand auf Kosten anderer auffallend expandiert. Wer nicht kapiert, wovon diese Überlegungen handeln, mit dem oder der möchte ich auch nicht einer gemeinsamen Situation angehören. (Fortsetzung)

+) Vorlauf: Kulturpolitik: An der Basis I
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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