Kulturpolitik: An der Basis I

Da hatte ich nun eine ganze Reihe von Gesprächen zur Praxis unserer Wissens- und Kulturarbeit. Darunter zwei prägnante Themen. Budgets und unbezahlte Arbeit.

Allianzen und Kooperation: Archipel-Mitbegründer Richard Mayr in der Edition Keiper.

Beides hat für mich Brisanz, weil eine private Kulturformation neben dem Angebot relevanter Inhalte vor allem das schaffen muß: Kontinuität. Dabei geht es sehr wesentlich auch um diese Aspekte. Daher habe ich im Archipel drei Ereignisebenen eingeführt.

Auf der Basisebene ist sichergestellt, daß wir kontinuierlich arbeiten können, egal, wie sich Strukturen entwickeln. Auf jener Ebene wird das Geschehen von unseren eigenen Kompetenzen, unserer Arbeitskraft und in der Regel von bescheidenen Geldmitteln bestimmt, aber auch sichergestellt. (Ohne ein inspiriertes und stabiles Wir geht da gar nichts.)

Ebene zwei verlangt nach klugen Kooperationen und nennenswerten Budgets. Ebene drei könnte man die Festival-Dimension nennen. Da brauche ich 30.000,- bis 50.000,- Euro, adäquate Infrastruktur und eine verläßliche Crew, um in dieser Dimension einen Akzent zu setzen. Oberstes Prinzip: Ebene I geht immer! Und alle drei Ebenen sind von solider inhaltlicher Arbeit unterfüttert.

Ich halte übrigens wenig von Petitionen. All diese recycelten Protest-Texte, mit den ewig gleichen Wortlauten, bei denen mir sogar als Akteur des betroffenen Metiers gleich die Ohren zuklappen, fast abfallen. Ich hab in den letzten rund 50 Jahren, die ich aktiver Teil des Geschehens bin, noch nie erlebt, daß eine Protestnote in der steirischen Kulturpolitik auch nur den geringsten Effekt gehabt hätte.

Konnte in unserer Branche irgendwer so fahrlässig sein und spätestens nach dem zweiten Corona-Lockdown noch nicht annehmen, daß diese Gesellschaft Wohlstandseinbußen erleiden werde, daß Budgets absacken würden und daß es den Kulturbetrieb hart treffen wird?

Das hätte man in der Phase 2008 bis 2010 schon kapieren können, als teilweise erstmals in meiner Laufbahn bereits zugesicherte Kofinanzierungen gelöscht wurden, weil das Geld nicht da war. Wer nun kein Agent der Blödheit ist, überlegt vielleicht. wie sich auf solche Ereignisse a) konzeptionell und b) strategisch reagieren ließe.

Ich sehe im Rückblick, daß wir den Mangel an einem öffentlichen kulturpolitischen Diskurs, der unsere Arbeit gebleiten könnte, nun büßen. Ich sehe bei etlichen Kräften des Kulturvölkchens, daß sie zwischen Schreckstarre und Zorn pendeln, ohne noch irgendeine nützliche Idee zu haben, außer politisches Versagen anzuprangern.

Es gab freilich immer wieder sehr wertvolle Diskursbeiträge, wie etwa diesen: „Für eine neue Agenda der Kulturpolitik“. Ein Gespräch mit Kulturwissenschafter Michael Wimmer. Ich empfehle dringend, die nötigen 30 Minuten dafür zu reservieren. Das lohnt sich. Ich finde, Wimmers Ausführungen bieten eine vorzügliche Zusammenfassung des Prozesses, der uns in diese Gegenwart gezerrt hat. Wimmer gibt auch eine Fülle von Denkanstößen, die ich für äußerst treffend halte. (Fortsetzung)

+) Für eine neue Agenda der Kulturpolitik (Interview)
+) Die drei archipelischen Ebenen (Unsere Handlungsräume)
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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