Ich bin in lokaler und regionaler Arbeitsgemeinschaft auf dem Weg zum „April-Festival 2014“. Ich bin in internationales Arbeitsgemeinschaft auf dem Weg zum Gleisdorfer Kunstsymposion 2014. Das bedeutet unter anderem, daß auf allen Ebenen dieser Vorhaben auch die Frage nach den Positionen und Funktionen Kunstschaffender in der Gesellschaft zur Debatte stehen.
Ich bringe das in Michaela Knittelfelder-Langs Teilprojekt „Human Melting Pot“ [link] ein, ich erörtere es mit Selman Trtovac in „The Track: Axiom * 2014“: [link] Es gibt einige gute Gründe, diesen Themenbereich zu bearbeiten und in die öffentlichen Debatten zu tragen.
Betrachten wir aktuelles Krisenmanagement unserer Gesellschaft, mit dem die derzeitigen Umbrüche bewältigt werden sollen, dann fällt vor allem auf, daß eindeutig zu viele Menschen noch ganz in Kategorien der industriellen Revolution denken, sich den Lauf der Dinge in Bildern der „Dampfmaschinen-Moderne“ erklären.
Dabei kommt viel zu kurz, daß wir längst eine durch und durch wissensbasierende Gesellschaft sind, die über eine weitere Revolution, welche der Mikrochip eingeläutet hat, völlig neue Kulturtechniken, Kommunikationsweisen und Handlungskonzepte braucht, um ihre Probleme lösen zu können.
Gerade in diesen speziellen Anforderungen einer „Wissensgesellschaft“ leiden wir besonders an den Nachteilen einer strikt arbeitsteiligen Welt, in der ein Großteil der Menschen nicht mehr vollständige Abläufe erlebt, sondern nur mehr Ausschnitte des Geschehens, egal, ob es nun um Güterproduktion oder Dienstleistung geht.
Wir haben diesen Preis gerne bezahlt, weil so die ökonomische Effizienz möglich wurde, mit der ein Teil der Menschheit aus den ärmlichen Verhältnissen der ursprünglichen agrarischen Welt entkommen konnten. (Wohlgemerkt, nur ein Teil!)
Die letzten tausend Jahre Leben in feudaler Ordnung hat den meisten von uns eine Existenz aufgebürdet, in welcher der Mangel Alltag war und die Not häufiger Gast. Man kann diese harten Lebensbedingungen heute noch an Gemeinschaften beobachten, die rein agrarisch oder nomadisch sind.
Rund zwei Drittel der Menschen, die auf unserer Erde derzeit Hunger leiden, sind Bäuerinnen und Bauern. Choplin, Stricker und Trouvé stellen in einer Arbeit über Ernährungssouveränität fest, daß weltweit 1,33 Milliarden Menschen in der Landwirtschaft nur von Hand arbeiten. Rund 300 Millionen haben auch Zugtiere zur Verfügung und bloß 30 Millionen Maschinen.
Damit möchte ich einen wenigstens flüchtigen Eindruck schaffen, womit wir die Wohltaten des Wohlstandes erkauft haben. Die extreme Arbeitsteiligkeit und Maschinisierung hat massive Konsequenzen für unsere Sicht der Welt und wie wir uns selbst darin erfahren.
Inhaltliche Arbeit, Umsetzung, Vermittlung, Repräsentation. Kunstpraxis bietet im günstigsten Fall die bedeutende Möglichkeit der Arbeit am Ganzen. Was ich damit meine?
Mein Leben ist davon geprägt, meine ganze Existenz ist davon erhellt, daß ich seit Jahrzehnten permanent Dinge tue, die ich vom allerersten Gedanken über jeden einzelnen Schritt bis zu diversen Ergebnissen selbst trage, mache, begleite.
Ich erlebe Reaktionen auf Ergebnisse, ziehe Schlüsse daraus, was sich auf kommende Vorhaben auswirkt. Das, genau das, bedeutet unter anderem mein Leben als freischaffender Künstler. Ich widme mich – neben allem oft ermüdenden Alltagskram – stets eine ganzen Sache.
Und wenn ich auch nebenbei mein Brot verdienen muß, was manchmal wirklich sehr anstrengend gerät, so bleibt doch im Kern eine wunderbare Erfahrung, die sich laufend erneuert: Mein Wunsch, eine Sache um ihrer selbst Willen gut zu machen, erfüllt sich oft. Das ermöglicht mir sinnstiftende Schritte, wie sie freilich auch in anderen Berufen möglich sind, aber eben nicht in den meisten Professionen.
Ich habe kürzlich als Gast der populären österreichischen Barbara Karlich-Show einmal mehr erlebt, wie leichtfertig und klischeehaft Menschen die Sache der Kunst anfeinden. Teilweise mit völlig irrationalen Begründungen, die verraten, daß sie ohne jedes Interesse an Gegenwartskunst sind, ohne Kenntnis davon.
Warum dann solche Anfeindungen? Ich vermute, sie ahnen, was etwa meine Existenz von ihrer unterscheidet, daß meine Mühen teilweise essentiell andere sind als ihre. Ich muß annehmen, daß ihnen mißfällt, was ich mir an Freiheiten, Selbstbestimmung und Sinnstiftung erarbeitet habe.
Sie würden natürlich ihr Jahreseinkommen nicht gegen meines tauschen, denn das wäre ihnen zu gering. Diesen Aspekt reden sie sich schön, indem sie unterstellen, daß sie es seien, die mein Brot bezahlten; so war es auch in dieser Folge der Show ausdrücklich zu hören.
Es liegt mir viel daran, in unseren laufenden Projekten deutlich zu machen, was es mit unserem Metier auf sich hat, was unsere Profession ist, um diese Fragen in öffentlichen Diskursen zu bearbeiten.
— [Human Melting Pot] [The Track: Axiom * 2014] [Generaldokumentation] —