Ich träume privat und ich träume dienstlich. Das „Amt für allgemeines Können“ ist von einem Geist beflügelt, der einem jederzeit Nachtschichten aufbürdet. Aktuell war dafür eine alte Mühle aufzusuchen. Schwarzau. Ein Bollwerk mit Mauern für die Ewigkeit und drei Tage.
Was mag eine Grauzone zwischen den Kunstschaffenden und dem Publikum ausmachen? Das werte Publikum neigt zu Erwartungen; etwa Anweisungen zu erhalten, Orientierungshilfen. Ich aber weiß, was ich in mir nicht finde, das gibt es nicht, das ist nicht erhältlich.
Da standen wir dann einander im Morgengrauen gegenüber, zwei leicht derangierte, in die Jahre gekommene Männer. Ich fühlte noch nasse Füße von unbedachten Schritten rund um die alte Mühle und ein physiologisches Defizit von etwa einem Liter Kaffee. Eben hatte ich zu Selman Trtovac gesagt: „Ich wähle meine Aufgabe selbst.“
Selman nickte und versicherte mir, das sei etwa so zu verstehen wie seine Vorstellung von Strategie in der Kunst; und im Leben, wäre zu ergänzen gewesen, aber das war unnötig, weil wir es ohnehin wußten.
All das trug sich zu, nachdem wir eine merkwürdige Nacht absolviert hatten, die einem „Big Dream“ („Veliki San“) gewidmet war. Der Begriff bezieht sich nicht auf eine mögliche Größe von Inhalten des Traumes, sondern auf eine kollektive Anordnung im Träumen.
Das bedeutet auch Intimität zuzulassen, denn wir teilen gewöhnlich unsere Betten nicht beliebig mit Menschen.
Ich war erstaunt, weil ich mir in solcher Runde mehr nächtliche Unruhe erwartet hätte, mehr an Bewegung, Geräuschen, Einflüssen, die einem das Schlafen erschweren, wenn man so leichten Schlaf hat wie ich.
So aber war vor allem das bleibende Licht gewöhnungsbedürftig, das Veljko Pavlovic eingerichtet hatte, um sein Equipment auf bestimmte Art nutzen zu können. Das bedeutet, an der Decke hing eine Anordnung, die ich aufgrund der regelmäßigen Verschlußgeräusche in zwei verschiedenen Tonlangen für ein Ensemble von zwei Fotoapparaten hielt.
Diese Anordnung war über ein schlankes Kabel mit einem Laptop verbunden und konnte über eine knarrende Aluminiumleiter erreicht werden, was manchmal nötig schien, wenn die Maschinerie stehenblieb.
So waren wir einem Beobachter ausgeliefert, einem künstlerischen Konzept und den Fragen nach der eigenen Autonomie.
Falls dieses kollektive Schlafen und Träumen ein inszenierter Akt ist, was wäre die Partitur, der wir folgen müßten? Falls dieses kollektive Schlafen und Träumen ein Bild ist, das entstehen will, wer ordnet das Arrangement der teilnehmenden Personen? Falls dieses kollektive Schlafen und Träumen ein Moment ist, der uns in Gemeinschaft und Intimität auf uns selbst zurückwirft, wer bestätigt und genehmigt meine Position?
Autonomie bedeutet etwa „Sich selbst die Regeln geben“. Manche verwechseln das mit „Unabhängigkeit“, wobei wechselseitige Abhängigkeit, auch im Sinn von wechselseitigen Verpflichtungen, die man eingehen mag, einen anderen Aspekt der Geschichte ergeben.
Mit „autos“ wird „selbst“ ausgedrückt und „nomos“ ist das „Gesetz“. Ich mag diesen Anspruch sehr, der auch Definitionsmacht meint. Da wären wir also, an diesem sonnigen Morgen nach Regengüssen, die im unmittelbar hinterm Haus gelegenen Mühlbach eine Arbeit von Günther Pedrotti versenkt haben.
Gastgeberin Andrea Schlemmer soll dieser Vorfall einige Unruhe verursacht haben, doch ich fand es so stimmig, wie es stimmiger nicht sein könnte, daß ein Künstler, der sich seit Jahren vor allem mit dem Medium Wasser befaßt, eine Arbeit eben diesem Wasser überlassen muß. Nein, besser geht’s kaum.
Aber diese meine Einschätzung wurzelt auch darin, daß ich die Flüchtigkeit von Werken nicht bloß schätze, sondern geradezu liebe. Das Vergängliche, Temporäre verzaubert mich sehr viel mehr als in Stein Gehauenes, das jemand an die Ewigkeit zu adressieren wünscht.
Um nun noch einmal meinen Konsens mit Selman zu markieren, da stünden nun der Satz und der Anspruch: „Ich wähle meine Aufgabe selbst.
+) Treci Beograd [link]
+) Die Mühle [link]
— [Dokumentation] —