April-Festival: Kontraste pflegen

Herkömmliche Geschäftspraxis empfiehlt, ja, verordnet fast „corporate identity“; also eine kompakte „Unternehmensidentität“, die sich auch in den visuellen Codes angemessen ausdrückt, was auf ein „corporate design“ hinausliefe.

Die Karte zur Station von Michaela Knittelfelder-Lang

Geschäftspraxis soll von Geschäftssinn getragen werden, denn es gilt… Nun, was genau? In der Kultur- und Wissensarbeit ist das alles vielleicht doch etwas anders geordnet. Auch wenn man von uns Effizienz erwartet, in gewissem Sinn Geschäftstüchtigkeit verlangt, denn gerade bei uns, in der Provinz, ist Kultur- und Wissensarbeit von der Kofinanzierung mit öffentliche Geldern anhängig, wir müssen selbst definieren, was damit gemeint sein kann.

Blieben wir in unserem Tun dem Freien Markt ausgeliefert, hätten uns Boulevard, Public Relations und Trade Shows längst überrannt. Dann wäre Volkstümliches und Kommerzielles in unserem Lebensraum ziemlich konkurrenzlos, breit etabliert, soweit es das öffentliches Leben angeht.

Doch deren Methoden und Gesetze müssen wir uns nicht aneugnen, um respektable Gegenpositionen zu errichten. Freilich, wie erwähnt, mit Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln.

Die Karte zur Station von Renate Krammer

Unser Tun wäre ohne solche Kooperationen mit dem Staat keineswegs verschwunden, aber wir fänden uns in Nischen des Privatlebens verdrängt. Wir könnten uns dann gelegentlich mit Funktionstragenden aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammensetzen, um uns auszurechnen, wie viele Jahre es noch braucht, bis die kulturellen Defizite dieser Gesellschaft so massiv wären, daß die Wirtschaft es gar nicht mehr schaffen würde, das über ohre Investitionen kurzfristig zu kompensieren.

Genau! Die Wirtschaft ist nämlich auf helle Köpfe, wache Geister, auf gebildete Menschen ebenso angewiesen wie jede Kommune. Aber woher nehmen? Was es dazu braucht, um derlei Kompetenzen längerfristig auf hohem Niveau zu sichern, ist ganz offensichtlich durch unser immer teurer werdendes Bildungssystem längst nicht mehr gewährleistet.

Wenn wir also nicht in gemeinsamer Anstrengung von Staat, Markt und Zivilgesellschaft ein entsprechende anregendes kulturelles Klima zu schaffen und zu erhalten vermögen, reicht alles Geld dieser Einrichtungen nicht aus, um einen fruchtbaren Lauf der Dinge zu stabilisieren.

Nun komme ich zurück zum eingangs berührten Thema. Das „April-Festival“ von kunst ost ist kollektive Kulturpraxis. Das muß unterm Strich auch ökonomisch funktionieren, was „corporate identity“ und „corporate design“ nahelegen würde. Aber! Nein!

Hier arbeitet eine wachsende Community ganz eigenständiger Geister. Das soll nicht zentralisiert und auch nicht auf einen Nenner zurechtgebügelt werden. Wir üben eine „Praxis des Kontrastes“, die im Miteinander völlig autonomer Formationen stattfindet. Diese Kontraste werden natürlich auch im gemeinsamen Auftreten sichtbar. Das soll auf visueller Ebene nicht „geglättet“ werden.

Die Karte zur Station von Irmgard Hierzer

So habe ich meine Freude an den höchst unterschiedlich aussehenden Drucksorten zu den einzelnen Stationen des Festivals. Sie drücken sehr verschiedene Zugänge und Erfahrungslevel aus. Diese werden bei uns nicht hierarchisch (senkrecht), sondern komplementär (waagrecht) angeordnet.

So treten Gegenwartskunst und Voluntary Arts in Wechselwirkung, da gehen wir auch von der Vermittlung zum Diskurs… und zurück.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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