April-Festival 2013: Das Spielen als Lernen

Niemand ist alleine schlau. Das gilt in Kultur und Kunst auf höchst unerbittliche Art. Was immer jemand schafft, beruht meistens auf den Vorleistungen anderer. Nur ganz selten erweist sich jemand quasi als Genie und bringt etwas hervor, das uns völlig neuartig erscheint und keine erkennbaren Vorläufer zu haben scheint.

Schätzt und würdigt auch die Arbeiten anderer Leute: Franz Sattler

Wer dies bedenkt, versteht das Wesen von Kultur und läßt sich nicht so schnell etwas vorgaukeln. Gaukler, Marktschreier, Falschmünzer und Wichtigtuer gibt es natürlich auf unserem Feld wie auf jedem anderen.

Aber das macht nichts, denn es steht Ihnen jederzeit frei, sich abzuwenden, wenn Ihnen etwas uninteressant erscheint. Manchmal lohnt es sich freilich, über eigene Irritation oder ein Gefühl der Ablehnung noch ein paar Schritte hinwegzugehen. Manchmal liegt hinter solchen Schranken Neuland.

Deshalb könnte es vorteilhaft sein, schnellen Urteilen ein wenig zu mißtrauen. Weiß ich, was ich vor mir habe? Kenne ich die Zusammenhänge? Bin ich überhaupt mit dieser oder jener Ausdruckform vertraut?

Wir haben es alle selbst einmal gepflegt und könnten es heute von den Kindern wissen: Spielen ist eine radikale Art des Lernens. Grenzenlose Neugier ist das große Privileg unserer Spezies.

Keine andere Art kann in der Weise die eigene Neugier aus der Gegenwart herauslösen, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft richten.
Das birgt einen ungeheuren Reichtum, den wir etwa aus der Befassung mit Kunst, Wissenschaft und Technik beziehen. Von Kunstschaffenden wissen wir, daß sie – wenn sie etwas taugen –, meist auch in die anderen Bereiche hineintauchen, um etwas über die Welt zu erfahren.

Franz Sattler: "Tanz der Finsternis“

Franz Sattler, ein versierter Photograph aus Naas, nutzt seine hohes handwerkliches Niveau, um vertraute Sichtweisen gelegentlich völlig hinter sich zu lassen. Seine Gründe dafür liegen offenbar in der Suche nach Poesie. In seinen eigenen Worten: „Letztendlich interessiert mich das Bild. Es sollte meiner sehr konkreten Vorstellung von Poesie, Magie und Aussage gerecht werden. Vor allem sollte es eine gewisse geheimnisvolle Aura besitzen, die den Betrachter in den Bann zieht.“

Das alte griechische Wort „Poiesis“ bezeichnet eigentlich das Machen von etwas. Es geht um das Produzieren. Das ist oft eine Sache der Alltagsbewältigung, der Berufsausübung. Die Poesie ist allerdings das Erschaffen nichtmaterieller Qualitäten.

Sattler geht manchmal daran, etwas, das uns vertraut erscheint, visuell zu entfremden. So kommen wir zu neuen Ansichten oder auch einfach nur zu einem kuriosen Blickerlebnis. Der Photograph sagt dazu: “Themen, die ich wähle, beruhen auf Wahrnehmungen, die mich persönlich bewegen. Durch die bewusst kontrollierte Defokussierung, um nur eine mögliche Technik zu nennen, soll nur der Teil einer vermeintlichen Wahrheit wiedergegeben werden.“

— [April-Festival 2013] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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