Wovon handelt Kulturpolitik? #27

Es gibt eine ganze Reihe menschlicher Leistungen, welche eine Gesellschaft braucht, die aber innerhalb unserer Kultur und Traditionen nicht auf dem freien Markt im Rennen sind, um materielle Profite abzuwerfen. Sie sind dem immateriellen Gewinn menschlicher Gemeinschaft gewidmet.

Wie kommt den bei uns die Butter aufs Brot? Und woher kommt der Kuchen zum Kaffee?

Wo solche Leistungen gebraucht werden, gehen unter anderem öffentliche Gelder in deren Finanzierung. Auch unbezahlte, ehrenamtliche Arbeit kann da stabilisierend sein. Der Kulturbereich hat hohe Anteile solcher Zusammenhänge.

Der immaterielle Profit aus solchen Anstrengungen soll über adäquate Verteilungsgerechtigkeit einer ganzen Bevölkerung zugute kommen, statt – wie in der Feudalzeit – nur kleinen Kreisen etablierter Eliten.

Im Österreich der Habsburger durfte sich während des 19. Jahrhunderts eine Völkerschaft von rund 40 Millionen Menschen dafür krummschinden, daß einige zehntausend Leute ein „kulturviertes Leben“ führen konnten. Das bedeutet auch, ich lebe heute ein besseres Leben und habe bessere Zugänge zu vielen Dingen, als mein Großvater, der in jungen Jahren noch einem Kaiser gedient hatte.

Kunst- und Kulturschaffende Österreichs kennen ein ganz merkwürdiges Phänomen. Dieses Metier, vor allem meine Domäne, die Gegenwartskunst, kann nur lächerlich kleine Prozentanteile der vorhandenen Budgets an öffentlichen Geldern nutzen. Sie werden mir kein Bundesland und keine Gemeinde zeigen können, wo diesbezügliche Förderungen auch nur in die Nähe von wenigstens fünf Prozent des Haushaltes gelangen.

Beliebtes Klischee: Künstler sind Schnorrer und lassen sich vom Staat durchfüttern.

Dennoch wird dieses Metier meist als erstes angefochten, wenn Kommunen Budgets kürzen müssen, weil ihnen Gelder fehlen. Ich meine damit, daß uns nicht nur Kulturbudgets gekürzt werden, wir müssen auch Verunglimpfungen hinnehmen.

Wir werden immer wieder plakativ vorgeführt und als „Schnorrer“, als „überflüssige Kostgänger“ desavouiert, obwohl öffentlicher Gelder für die Gegenwartskunst überhaupt keinen nennenswerten Summen ergeben. In der Überschaubarkeit einer Kleinstadt läßt sich außerdem feststellen, daß sowas zuweilen von Menschen kommt, die ich noch nie bei einer Kunstveranstaltung gesehen hab und die sehr wahrscheinlich auch keinen Künstler persönlich kennen oder eine Ahnung vom Metier haben.

Haben Sie schon einmal versucht, Fördergelder zu bekommen? Ich kenne auch aus dem kulturellen Umfeld Unterstellungen wie: „Dem Krusche finanzieren sie alles und ich bekomme nichts.“ Wer also die Mühe meidet, Fördereinrichtungen und deren Reglements näher kennenzulernen, wer es nicht schafft, sein Vorhaben nachvollziehbar darzustellen und zu kalkulieren, wer daher auch kaum in der Lage ist, einen Eindruck zu vermitteln, daß eine seriöse Umsetzung des Geplanten ihr Geld wert wäre, braucht Ausreden und Feindbilder.

Wie machen wir das? Ich bleib kurz bei unserem eigenen Kulturnetzwerk, das in der Oststeiermark wirkt. Wir setzen auf langfristige, kontinuierliche Arbeit mit solider Planung und öffentlich einsehbarer Dokumentation im Internet. Das wird durch konsequente Medienarbeit ergänzt, um unsere Präsenz zu betonen.

Wir realisieren Projekte im Kernbereich per Kooperation der Vereine „kunst ost“ und „kultur.at“, wobei „kunst ost“ ursprünglich ein Projekt von „kultur.at“ gewesen ist. Da wir hier aber unter anderem EU-Gelder verwenden, die sehr strengen Reglements und Kontrollen unterliegen, hat man uns empfohlen, für solcher Art der kofinanzierten Projekte eine eigene Rechtsperson zu konstituieren, eben den Verein „kunst ost“. Das mache die Abrechung und allfällige Prüfverfahren einfacher.

Faktum ist: Ich arbeite im Jahr sehr viel mehr Stunden als die meisten Angestellten, die ich kenne, und davon einen erheblichen Teil unbezahlt.

Da „kunst ost“ das überhaupt erste EU LEADER-Kulturprojekt der Steiermark ist, waren wir so einem Prüfverfahren schon unterzogen. Bei diesen EU-Geldern wie auch bei Landesgeldern oder Geldern der Stadt Gleisdorf haben wir IMMER den Modus der Kofinanzierung. Auch bei Bundesgeldern, die wie erhalten.

Das bedeutet, wir müssen die komplette Vorfinanzierung eines Projektes aus eigener Kraft schaffen und die Eigenmittel verläßlich aufbringen. Wir müssen weiters Verträge unterschreiben, die uns auf die vereinbarten Projekte verpflichten. Das räumt der Stadt, dem Land, dem Bund, der EU das Recht und die Möglichkeit ein, ihre Gelder zurückzufordern, falls wir die Vereinbarungen brechen, falls wir die vertraglich festgelegten Projekte nicht umsetzen.

Aus all dem dürfen Sie schließen:
Wir werden nicht einfach „subventioniert“, weil irgend jemand nett findet, was wir tun. Wir befinden uns in vertraglich ausformulierten Kooperationen. Unser Vorhaben wird von Kooperationspartnerinnen und -partnern KOFINANZIERT.

Das kann man auch teilweise so lesen: Der Staat kauft bei uns Leistungen, welche gesellschaftlich relevant sind, die im Bildungs- und Kulturwesen gebraucht werden, die soziokulturellen Nutzen hervorbringen. Verstehen Sie mich recht, ich argumentiere hier NICHT für Bedingungen der Kunstproduktion, sondern für die der Vermittlung, der Wissensarbeit, der Kulturarbeit.

Ich bin also kein „Staatkünstler“, kein „Subventionsempfänger“, der auf Staatskosten ein so oder so gestaltetes Leben führt. Ich bin ein Professional, der Leistungen anzubieten hat und der den Leistungsaustausch mit Geldgebern professionell bearbeitet. Ich liege niemandem auf der Tasche, ich arbeite für mein Geld mehr Stunden im Jahr als die meisten Angestellten, von denen ich weiß.

Aber was ist denn nun eigentlich eine „Subvention“?

Im Steirischen Kultur- und Kunstförderungsgesetz, genauer im „Gesetz vom 24. Mai 2005 über die Förderung der Kultur und der Kunst in der Steiermark (Steiermärkisches Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005)“, kommt der Begriff überhaupt nicht vor.

Da mit diesem Gesetz Ziele und Modi einer Landesförderung geregelt werden, ist also von einer Förderpraxis zu reden. Aber der Förderer steht mir keineswegs absichtslos gegenüber, seine Organe auch nicht. Freilich kann hier nur zum Teil der Aspekt einer Kooperation betont werden, also konkret das GEMEINSAMER Arbeiten an Vorhaben.

Selbst in der kulturell dominanten Landeshauptstadt macht das Kulturbudget keine fünf Prozent des Gesamthaushaltes aus. Es sind gerade einmal 4,69%. (Kleine Zeitung vom 26.1.2013)

Das Gesetz definiert im § 1 als „Ziele und Aufgaben der Kultur- und Kunstförderung“ vorweg ganz klar: „(1) Das Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern.“

Das Land Steiermark kommt mich nicht besuchen, absolviert mit mir keine Arbeitstreffen. (Einzelne Personen aus Politik und Verwaltung tun das aber.) Wir sind also „Fördernehmer“, um Kofinanzierungen von Projekten hinzukriegen.

Der Begriff „Subvention“ spielt dabei eigentlich keine Rolle, weshalb ich ihn jetzt noch kurz abklopfen möchte, damit dieser Teil der Sache als erledigt gelten darf. Der Duden sagt: „Sub-ven-ti-on, die“ und erläutert das so: „Wortart: Substantiv, feminin, Gebrauch: Wirtschaft“.

Unter „Bedeutung“ lese ich: „zweckgebundener, von der öffentlichen Hand gewährter Zuschuss zur Unterstützung bestimmter Wirtschaftszweige, einzelner Unternehmen. Als Synonyme finden wir dort: zweckgebundener, von der öffentlichen Hand gewährter Zuschuss zur Unterstützung bestimmter Wirtschaftszweige, einzelner Unternehmen“ Quelle: [link]

Das „Gabler Wirtschaftslexikon“ (Verlag Springer) präzisiert zum Beispiel: „Einseitige Übertragungen des Staates an die Unternehmen; Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile (z.B. Steuervergünstigungen, Preisnachlässe bei Käufen des Staates, Bürgschaften), die der Staat oder Institutionen der EU ohne (marktwirtschaftliche) Gegenleistung i.d.R. Unternehmen gewährt.“ Quelle: [link]

Durch „Wikipedia“ sollte klar werden, daß dieser Begriff durchaus mit unterschiedlichen Inhalten belegt ist: „Der Begriff Subvention kommt vom lat. subvenire = ‚zu Hilfe kommen’. Globalwirtschaftlich betrachtet gehören Subventionen zu den nichttarifären Handelshemmnissen (insgesamt ca. 800), die es grundsätzlich abzubauen gilt, um einen freien, weitgehend ungehinderten Welthandel zu ermöglichen. Die Definition des Begriffes Subvention ist zwischen Juristen und Ökonomen umstritten.“

An einer Stelle findet sich auch die interessante Formulierung: „Subventionen sind wirtschaftliche Aktionen um eine politische und gesellschaftliche Zielsetzung zu erreichen. Diese wirtschaftlichen Aktionen setzen immer eine Zuwendung, Bevorteilung oder Vergünstigung voraus, wobei es nicht auf die Art und Weise dieser Begünstigungen im Einzelnen ankommt.“ Quelle: [link]

+) Fußnote:

  • Die Grazer Budgetzahlen sind im betreffenden Artikel detailliert aufgelistet: [Quelle]
  • Ich habe schon erwähnt, das Graz rund drei Viertel des gesamten steirischen Kulturbudgets konsumieren darf.
  • Sie können also versichert sein, daß Provinzorte nur einen vergleichbar winzigen Prozentsatz für Gegenwartskunst einsetzen, falls überhaupt.
  • Daher muß jedem vernunftbegabten Menschen klar sein: Selbst wenn Sie dieses „Kunst-Budget“ in der Provinz zu hundert Prozent streichen, hat das praktisch keinerlei hilfreiche Wirkung bei einer Budgetsanierung.
  • Wer also Kunstschaffende öffentlich anschüttet, weicht den eigentlichen Problemursachen aus und betreibt Polemik auf Kosten meines Berufsstandes.

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