Ich hab nun schon an mehreren Stellen betont, daß wir im Kunstbetrieb ein merkwürdiges Phantasma installiert haben. Freelancers gelten meist als höchstes Ideal. Der freischaffende Künstler, die freischaffende Künstlerin, aus rein künstlerischer Arbeit ein adäquates Jahreseinkommen erwirtschaftend, das sei die „Königsklasse“.
Es ist ein kleiner Haken an der Sache. Diesen Typus findet man in Österreich fast überhaupt nicht, die lebenden Exemplare sind eine verschwindende Minorität. Diese Minderheit steht in zweierlei Geruch, ist mit Widersprüchen belegt. Einerseits müssen genau DAS ja die „richtigen“ Kunstschaffenden sein, die sowas hinkriegen. Andrerseits stehen sie prinzipiell unter Generalverdacht, sich dem Markt anzudienen und die „Reinheit der Kunst“ am Kassenschalter zu schänden.
Das sind also reichlich nervöse Umgangsformen mit einer Profession, die in dieser und jener Praxis unter dem üblichen Druck steht, den alle Freelancers kennen. Bedenkt man nun, daß EPU, also „Einpersonenunternehmen“, rund 60 Prozent von Österreichs Betrieben ausmachen, möchte man annehmen, der Staat sorge in seiner begleitenden Gesetzgebung für ein Reglement, das diesem Berufsfeld gerecht wird und das uns durch die stets sich ändernden Geschäftsverläufe stärkend begleitet. Beim Staat gibt es aber offenbar andere Prioritäten.
Unternehmensberater Conrad Pramböck hat gerade für erfrischenden Klartext gesorgt und den Kontrast Angestellte/Freelancers etwas herausgearbeitet:
„Sie (Die Angestellten, Anm.) haben extrem große Sicherheit, regelmäßiges Einkommen, verdienen ab dem ersten Arbeitstag, haben einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz und bekommen Unterstützung von ihren Kollegen. Selbstständige hingegen verbringen die ersten Wochen damit, Möbel und Computer zu besorgen, mit Rechtsanwalt und Steuerberater zu sprechen. Das sind zwar wichtige Dinge, aber es vergeht Zeit, die sie nicht dafür investieren können, Geschäfte zu machen.“ [Quelle]
Ich verrate ja kein Geheimnis, daß gerade in krisenhaften Verläufen eines Landes ganze Kettenreaktionen davon ausgelöst werden, daß stärkere Instanzen anfallende Probleme flott an die nächst schwächeren Instanzen weitergeben. So staunt man als Freelancer mitunter, welcher Scherereien und Aufgaben einem plötzlich zugefallen sind, die ruckzuck von oben nach unten durchgereicht wurden.
Während fix angestellte Leute zwischendurch ihre Belastungserlebnisse in einem Krankenstand mit anschließendem Urlaub auskurieren, beiße ich im nächsten Durchgang an zu langen Arbeitstagen meine Zähne zusammen. (Gut, ich hab es ja so gewollt. Selbstgewählt!)
Dabei empfinde ich es dann schon als sehr provokant, wenn ich zeitgleich lese, wie ein Profi, außerdem vormaliger Finanzminister, sich sein gut situiertes Leben absichern kann: „Zuletzt musste Ex-Finanziminister Grasser laut Bericht mit einem kargem Jahreseinkommen von 13.520 Euro auskommen. Die Finanz hegt „den konkreten Verdacht einer Abgabenhinterziehung bezüglich Umsatzsteuer, Einkommenssteuer und Kapitalertragssteuer“, heißt es.“ [Quelle] Und genau derlei Steuerbescheide gehen automatisch an die SVA, um dort für „Berichtigungen“ in den Vorschreibungen zu sorgen.
Ich soll mir gelegentlich auch noch Neid unterstellen lassen, wenn ich solchen Status quo kritisiere? Das ist alles in Österreich sehr kurios geordnet. Vor dem Hintergrund aufgedeckter Korruptionsvorgänge im Lande kämpfen Kleinstunternehmen heute mehr denn je um ihr Bestehen, bei dem oft folgende Hürde aufragt.
Unter den Tausenden EPU-Leuten ringt eine Legion vor allem mit dem Reglement der Sozialversicherung, durch welches sie so unter Druck sind, daß die SVA längst als Konkurs-Risiko ersten Ranges gilt.
Im „Forum zur Förderung der Selbständigkeit“ [link] kann man allerhand über diese Zusammenhänge erfahren. Seit Monaten widmen sich ferner die „Amici delle SVA“ ganz speziell den Problemlagen, dem Informationsstand und den Lösungsansätzen dafür, die Versicherungspflicht bei der SVA ökonomisch zu überleben: [link]
Und jetzt noch ein kleiner Schwank zum Abschluß dieses Beitrages. Es gibt offenbar Geschäftsmodelle, deren Konzeption alles übersteigt, was ich mir vorstellen kann:
>>Klar ist zudem: In Grassers Stiftungskarussell bunkern mehr als neun Millionen Euro. Preisfrage: Wie ist das möglich, wo er doch beim Finanzamt nur ein so geringes Einkommen versteuert hat? Stimmt da etwas mit der österreichischen Steuergerechtigkeit nicht?<< [Quelle]
+) Siehe zum ganzen Themenkomplex auch: „Wovon lebt der Krusche? [link]
+) Zu den Hintergründen auf dem Kunstfeld: [link]
+) Steirischer Lokalkolorit („Niemand hat mich gerufen“) [link]
2 Antworten auf Als EPU-Mensch ökonomisch überleben