Folgende Textpassage zum Thema Identität habe ich sehr gemocht:
Zum Aufbau unserer Identität gehört die Erkenntnis, dass:
• wir immer auf die Umwelt bezogen sind
• wir auf die Umwelt neugierig sind, zugleich vor ihr Angst haben
• wir dauernd handeln, also entscheiden müssen
• wir eine Intimität haben
• wir einsam sind
• wir frei sind
• wir mehrere Identitäten haben
• wir nur in einer Gruppe leben können, die uns allerdings bestimmte Regeln und Bewertungen einigermaßen aufzwingt.
Dieses anregende Zitat entstammt einer „Skizze“ von Sprachwissenschafter Michael Metzeltin. Er befaßt sich darin mit dem Zusammenhang von Identität und Sprache. Quelle als PDF: [link]
Identität war in der Deutung einer „regionalen Identität“ kürzlich unser Thema bei KWW: [link] Darauf bezieht sich ein Eintrag im Projekt-Logbuch, in dem ich Martina Böck zitiere: „Jeder kommuniziert und jeder weiß, dass Kommunikation als Verständigungsprozess unser Leben gestaltet…“ [link]
Das mag nun auf Anhieb als etwas viel Zitatenwirtschaft erscheinen, aber es hat eine interessanten Zusammenhang. Kulturbetrieb, Wirtschaft und Politik haben gleichermaßen die Neigung, mit dem Thema Identität intensiv bis ausufernd zu arbeiten. Das führt gelegentlich zu sehr kühnen Spielarten eines Verständnisses von „Wir-Formationen“ und wie sich Einzelne dazu verhalten mögen.
Jede Menge Klärungsbedarf! Vor allem in krisenhaften Zeiten, wo das Verhältnis zwischen Eigennutz und Gemeinwohl massiven Verhandlungen unterzogen wird. Nun habe ich den Metzeltin-Text kürzlich von Böck erhalten. So hängt es oberflächlich zusammen.
Böck hat sich wiederum in einer Diplomarbeit den „Kommunikative(n) Dimensionen bei Patienten mit seltenen Erkrankungen bzw. Kranken ohne Diagnose“ (2009) gewidmet. Das ist jetzt vordergründig nicht gerade mein naheliegendstes Thema. Aber es berührt eine Reihe von Fragen, die mich auch beschäftigen. So schreibt Böck etwa, es „…kommt deutlich zum Ausdruck, dass Identität auf einer Wechselbeziehung sozialer und kultureller Einflüsse, Erlebnis- und Erfahrungszusammenhängen beruht. Identität benötigt Repräsentation und Interaktion, eine Kultur des Sich-Begegnens.“
An anderer Stelle notiert sie, „dass Identität als Selbstkonzept bzw. Lebensentwurf die existentielle Grundlage des Menschen darstellt, von dem ausgehend sein Handeln gesteuert ist.“ Da werde ich natürlich hellwach und finde zugleich ein praktisches Beispiel für eine der Grundlagen des Modus, den ich für „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“ formuliert habe. Sind mögliche Kommunikationsbarrieren eingeebnet, wie sie zwischen verschiedenen Milieus aufgrund von unterschiedlichen Ritualen, Codes und Jargons bestehen mögen, frage ich bald: Gibt es Fragestellungen zum Stand der Dinge oder zu Lauf der Welt, die uns gleichermaßen beschäftigen?
Und siehe da, auch wenn ich zum Thema „Patienten mit seltenen Erkrankungen bzw. Kranken ohne Diagnose“ mangels Sachkenntnis gar nichts beizutragen habe, steckt doch in der Arbeit einiges, mit dem wir uns im regionalen Kulturgeschehen befassen.
Wird aus dieser Schilderung ein wenig deutlicher, wie ich mir einen Teil unserer Arbeit als die Metiers übergreifend vorstelle? Es kommt noch was dazu. Der Kontakt mit Böck entstand im Web zwo, wo wir uns offenbar einig waren, daß es unakzeptabel ist, wenn in Kontroversen die Andersdenkenden selbst angegriffen werden, statt ihrer Argumente.
Ist diese Unterscheidung klar? In Meinungsverschiedenheiten werde ich manchmal sehr heftig eine Idee angreifen, aber nicht die Person, die sie hat, äußert. Diese Differenz ist selbst auf dem Kulturfeld nicht mehr ganz so selbstverständlich, wie ich es verlange…