Durchgeknallte Selbstverwirklicher
Ein petergruber1 hat am 04.01.2012 folgenden bemerkenswerten Kommentar zu einem Artikel in der „Kleinen Zeitung“ abgegeben:
„der einzige Grund warum ich mich auf die kommende Kriese freue ist der, dass dann die ganzen durchgeknallten Selbstverwirklicher ersten mal wirllich arbeiten wetdem müssen – denn die jährlichen Millionenförderungen werden ausbleiben. Dann werden die mal sehen was Sie fordern können“
Daß jemand mit solcher Gehässigkeit auf eine Berufsgruppe losgeht, Kunstschaffende rundheraus als „durchgeknallte Selbstverwirklicher“ abtut und eine unscharfe Vorstellung von „wirklicher Arbeit“ in den Raum stellt, macht mich neugierig.
Der Artikel, auf den petergruber1 reagiert hat, bietet uns aber zur Sache keinerlei Neuigkeiten: „Künstlerhaus: Kulturbaustelle mit vielen neuen Chancen“: [link] Der öffentliche Diskurs zu Künstlerhaus und Gegenwartskunst ist also zumindest in diesem Blatt momentan nicht vorangekommen.
In der „Krone“ gab es inzwischen einige interessante Gastkommentare von sachkundigen Leuten, da Michaela Reichart und Martin Grasser meinten: „Weil eine Zeitung auch ein Forum für Diskussionen und Gedankenaustausch sein sollte, haben wir handelnde Personen um Gastkommentare gebeten, die in den kommenden Tagen und Wochen erscheinen werden.“
Aber zurück zu petergruber1. Derlei Ansichten über unser Metier sind a) keineswegs selten und werden vor allem b) auf dem Boulevard recht gerne und häufig aufgekocht. Wenn der Schlatz aus einem Kommentator dermaßen hervorbricht, darf ich vor allem einmal darauf schließen, wie sehr er seine eigene Berufstätigkeit als sinnvoll und erfüllend empfinden muß.
Das ist ja kein so seltenes Phänomen. Getreu dem Rock & Roll-Mythos „Money for nothing and chicks for free“ wird gerne angenommen, Kunstschaffende führten ein eher sorgenfreies Leben auf Kosten anderer Leute, während man sich selbst in der Hackn krummlegen müsse. Diese Kolportage bezieht auch Futter aus den romantischen Geschichten über eine (urbane) Boheme, die in antibürgerlicher Attitüde natürlich auch ein bürgerliches Leben und dessen „Werte“ ablehnt, welche das aber – so die Klischees – auf Kosten jenes Bügertums tun möchte, dem es sich nur mit Hohn zuwendet.
Das hat in Summe recht wenig mit dem Berufsfeld von Künstlerinnen und Künstlern zu tun. Solche Stereotypen-Wirtschaft kennen wir auch in sanfteren Versionen. Es wäre in diesem Zusammenhang vermutlich von Vorteil, die Bilder etwas zurechtzurücken und auf aktuellen Stand zu bringen.
Das verlangt unter anderem einige Konzentration darauf, welche Bilder vom Dasein als Kunstschaffende die Öffentlichkeit dominieren und was daran revidiert werden müßte. Verkürzt läßt sich sagen: Seit in der Renaissance das Kunstschaffen aus der Abhängigkeit des „göttlichen Auftrags“ herausgetreten ist und Autonomie beansprucht hat, kennen wir maßgebliche Künstler als Unternehmer im durchaus heutigen Sinn.
Komischerweise wird das von Leuten, die Kunst kaum interessiert, gerne ignoriert. Oder aber, falls sie es bemerken, wird es als Argument GEGEN Kunstschaffende vorgebracht; Stichwort: „Kommerzler“. Solche abstruse Abschätzigkeit, die sich Kunstschaffende als Eremiten oder Bewohner des „Hotel Mama“ zurechtträumt, aber als ökonomisches Wesen nicht vorstellen kann, findet auch unter jenen Interesse, die sich selbst mühen, auf dem Kunstfeld ernst genommen zu werden.
So findet man unter den Selbstdarstellungen mancher Kreativer originelle Gedanken wie: „freie Kunst ist gelebte Liebe. Solange Künstler von ihrer Kunst leben müssen, sind sie Anbieter käuflicher Liebe und nicht frei.“ Oder: „Künstler die Kunst zwecks Profit machen sind wie Eltern die ihre Kinder zwecks Kindergeld zeugen.“
Das sind ziemlich spießige Bonmots, die keiner weiteren Überprüfung an den Realitäten Kunstschaffender standhalten. Das sind auch keine Kategorien der Kunst, die hier angesprochen werden.
Brunelleschi, Piero della Francesca, Dürer, frühe Leitfiguren der Entwicklungen hin zu dem, was wie heute als Intentionen und Bedingungen von Kunst kennen, waren keine Bohemiens, sondern Professionals. Es gibt Kontinuitäten solcher Prefessionalität, die durch allfällige Brüche eher noch bestätigt, als geschwächt werden.
Inzwischen hat uns Duchamp irritiert, Warhol die Plomben gezogen, Beuys in’s Grübeln gebracht und John Cage verstummen lassen.
Daß wir im Reich der Kunst und ihres Marktes stets auch mit Widersprüchen und Gleichzeitigkeiten konfrontiert sind, setze ich als bekannt voraus. Aber im Kern bleibt es vorerst noch ein Berufsfeld, das offenbar sehr vielen Menschen völlig unklar ist. Und was einem derart unklar ist, scheint darin ausreichend provokant zu wirken, um eine Feindseligkeit zu speisen, die sich etwa auf solche Art Luft macht: „dass dann die ganzen durchgeknallten Selbstverwirklicher ersten mal wirllich arbeiten wetdem müssen“.
Was immer dieser Absender petergruber1 für Probleme hat, und die scheinen nicht gering zu sein, für uns bleibt daraus die Anregung, etwas mehr Mühe darauf zu verwenden, wie unser Beruf gesehen und erfahren werden kann. Wir werden freilich Leute nicht erreichen können, die, wie petergruber1, sich auf schlechte Zeiten freuen, damit es den Kunstschaffenden schlecht gehe. In solcher Verfassung ist man ja eventuell auf irgend eien Art von Hilfe angewiesen, die außerhalb unserer Kompetenzen liegt.
[Die Debatte: Übersicht]
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