Debatte tut Not

Wir haben bei „kunst ost“ nun eine klare Ausrichtung auf die zeitgleiche Bearbeitung zweier verschiedener Ebenen. Repräsentation und Reflexion werden betont. Das bedeutet, die Ausstellungstätigkeit bleibt wohl wichtig, soll aber nicht im ursprünglichen Umfang forciert werden. Die Botschaft „Möglichst viele regionale Kunstschaffende in einer Ausstellung“ ist eine inhaltliche Nullbotschaft.

Themenbezug, Konzentration, aber auch die konkrete Interaktion der Beteiligten, also die wechselseitige Anregung, sind wichtig. Das dürfte dann auch zu qualitativ ganz anderen Veranstaltungen führen, die überdies eine kultur- und regionalpolitische Relevanz haben. Das kam bei unserem letzten Plenum einmal mehr auf den Punkt: [link]

Unsere Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf weist auch in diese Richtung. Da geht es einerseits um Gegenwartskunst auf der Höhe der Zeit und mit internationaler Relevanz, da geht es andererseits um Fragen, wie sich genau das angemessen mit regionalen Agenda verknüpfen läßt. Kulturreferate, die immer nur machen, was sie immer schon gemacht haben, würde die Rolle von Kunst und die Aufgaben der Kulturschaffenden einerseits völlig unterschätzen, sie blieben andrerseits relevante Beiträge schuldig, in den aktuellen Umbrüchen der gesamten Gesellschaft zukunftsweisend zu agieren. Die Übersicht: [link]

Kunstsammler Erich Wolf

Kunstsammler Erich Wolf hat übrigens eben erst den renommierten Preis „maecenas“ erhalten, mit dem sein Engagement als Unternehmer für die Kunst gewürdigt wurde. Das bedeutet in Summe, die Aktivitäten von „kunst ost“ verknüpfen sehr unterschiedliche Referenzsysteme. Eine Gesamtsituation, in der es uns passabel gelingen sollte, in der krisenhaften Situation neue Perspektiven zu gewinnen.

Einer unserer Bezugspunkte ist das Thema Frauen und Technik. Ich hab hier vor einigen Tagen eine Publikation erwähnt, die Gerlinde Knaus diesem Thema gewidmet hat: „Pionierinnen” (Die fabelhafte Welt der Frauen in der Technik, Band 2) [link] Diese Publikation (mit einem Mirjana Peitler-Selakov-Feature) ist nun auch also kostenloser Download im PDF-Formamat verfügbar. Die Datei hat etwa 3,8 MB: [link]

Diese Publikation berührt allein durch ihre Existenz auch die Frage, wo und wie wir für uns Deutungshoheit in Anspruch nehmen. Der erschütternd geringe Anteil von Frauen in der Technik hat einiges mit Definitionsmacht zu tun, über die Frauen ganz generell einschlägige Kompetenzen oft abgesprochen werden. Daß dem widersprochen werden muß, ist klar.

Im Kulturbetrieb haben wir vergleichbare Probleme. Aber leider dominiert da, daß wir Deutungshoheit gerne anderen überlassen und uns wundern, wenn nicht nach unseren Erwartungen verfahren wird. Das brisanteste Beispiel ist momentan sicher die Debatte rund um das Grazer Künstlerhaus.

Letzten Sommer gab es eine Aussendung der IG Kultur Steiermark (Thu Jul 28 14:27:26 CEST 2011) zur dieser Debatte. Darin wurde aufgerufen: „Rettet das Künstlerinnenhaus“, was von einem gleichlautenden Transparent an der Hauswand unterstrichen wurde. Besonders rührend die Nachricht: „Während der Enquete plazierte eine unbekannte Gruppe von Künstler_innen ein Transparent mit dem Text ‚Rettet das Künstlerinnenhaus’ an die Hausfassade.“ [link]

Allerdings erfahren wir nicht genau, wovor das Künstlerhaus gerettet werden solle. Ein sich hartnäckig haltendes Gerücht besagt: vor Joanneum-Boss Peter Pakesch. Doch der ließ längst verlauten, er müsse dieses Haus nicht haben. Worin besteht also der Rettungsbedarf? Wir wissen es nicht so genau. Und wir wissen auch nicht so genau, wer diese Ansicht vertritt. Eine „eine unbekannte Gruppe von Künstler_innen“? So schaut’s aus.

Ein derzeitiger Dauerbrenner dieses öffentlichen Diskurses der IG Kulur ist die Meldung „Die Webseite www.kuenstlerInnenhaus-graz.at wird demnächst erweitert.“ Zuerst war die Webadresse mit einem Standbild versehen. Dann produzierte sie nur Fehlermeldungen. Inzwischen ist erkennbar eine Datenbank aktiviert. Aber die Startseite generiert seit nun gut einer Woche nur die Nachricht: „Not Found / Apologies, but no results were found for the requested archive. Perhaps searching will help find a related post.“


Damit haben wir die lustige Situation, daß ein Personenkreis, dem es nun seit geraumer Zeit nicht einmal geling, seine kritischen Diskurs zur Sache zu organisieren, das Künstlerhaus zur Selbstverwaltung überlassen haben möchte. Das wirkt wenig vielversprechend.

Amüsanterweise findet auch seit Tagen niemand etwas daran, daß sich im Impressum nur die Notiz „bla bla“ befindet, was im Volksmund eine „aufgelegte Wuchtel“ genannt wird, die man im Vorbeigehen nicht liegen lassen kann, sondern kicken muß. Bla. Bla. Und?

Was in der Sache bisher an Positionen und Optionen veröffentlicht wurde, dürfte hier überwiegend zusammengefaßt sein: [link] Bis Ende des Jahres soll der Landeskulturbeirat über bisher eingegangene Konzepte befunden haben.

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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