ein interview mit architekt winfried lechner zum thema stadtentwicklung, publiziert in der regionalzeitung „die oststeirische“, hat nun über wochen allerhand an reaktionen bewirkt. eine davon war, daß der weizer bürgermeister helmut kienreich auf einer pressekonferenz, bei der er seinen nachfolger erwin eggenreich vorgestellt hat, mehrfach aus diesem interview zitierte. das lechner-interview: [link]
also bat ich ihn um ein gespräch, um ihn nach details zu fragen. ich werde eine zusammenfassung dessen hier noch vorlegen. vorab fand ich sehr interessant, worauf kienreich den fokus gelegt hat, als ich nach seiner einschätzung des status quo im verhältnis der kommunen zu den bürgerinnen und bürgern fragte.
das ist ja ein aspekt, der uns kulturschaffende auch sehr interessieren mag. womit sehen sich leute in politik und verwaltung konfrontiert? welche anforderungen haben bei ihnen hohe priorität? worauf werden sie sich allenfalls mit uns einlassen?
weiz hat, laut kienreich, ein ganz spezielles „grundproblem“: „Die kleine Stadtfläche. Fünf Quadratkilometer, etwa gleich wie Gleisdorf, aber noch einmal so viel Einwohner. Eine Industriestadt mit zweitausend Arbeitsplätzen. Elektroindustrie, Bauindustrie, neben der Leitindustrie sehr viele Gewerbebetriebe und eine sehr starke Einzelhandelsstruktur.“
das ist alles andauernd in bewegung: „Die Industrie zieht aus der Stadt teilweise ab. In den letzten Jahren gingen rund tausend Arbeitsplätze verloren. Aber zum Glück haben wir sie in der Kleinregion halten können.“
da fällt dann auch der begriff „zentralorte“. das wirft fragen auf, wie man ein allfälliges „zentrum-provinz-gefälle“ vermeidet, das verhältnis zwischen verschieden großen orten einer region ins positive wendet: „Zentralorte entwickeln sich nicht von heute auf morgen. Und sie entwickeln sich deshalb, weil es dort Stärken gibt. Wenn man die Stärken und Schwächen einer Kleinregion erfassen kann und dabei vernünftig denkt, können Zusammenlegungen vielleicht für ein paar Bürgermeister und Gemeinderäte, die es dann nicht mehr sind, ein Nachteil sein, aber für das gesamte Gemeinsame ist es hundertprozentig ein Vorteil.“
damit ist nun das absolut heiße thema der regionalen gegenwart angesprochen: gemeindezusammenlegungen. eine fragestellung, die alle kommunalen angelegenheiten der region zu berühren scheint. wir kulturschaffenden können dieses kräftespiel nicht ignorieren, wenn wir in aktuellen vorhaben und kulturellen prozessen, kooperatrionsmomente mit leuten aus politik und verwaltung erreichen möchten.
kienreich betont den servicecharakter, der heute im kommunalen engagegement erreicht werden müsse. die politische funktion einzelner personen hält er für nachtrangig gegenüber der anforderung, daß bürgerinnen und bürger anlaufstellen bräuchten, bei denen ihnen sehr konkret geholfen werde, ihre anliegen zu bearbeiten.
kienreich: „Früher war man auf einander angewiesen. Heute ist jeder für sich. Da haben sich die Strukturen sehr geändert. Man bringt die Leute heute eher über offizielle Angebote zusammen, als daß wer aufsteht und sagt: Ich mach das. Wenn ich sehe, daß das irgendwo funktioniert, können Sie sicher sein, daß ich am nächsten Tag dort bin und das unterstütze.“
er präzisiert: „Wenn sich wer engagiert, muß man das unterstützen. Und Service anbieten. Sehr viele Menschen haben soziale Probleme, brauchen eine Orientierung und so weiter.“ das bedeutet seiner meinung nach: „Die kommunale Ebene ist für das Ganze unersetzlich. Sie können heute kein Fest veranstalten, wenn die Kommune nicht hilft. Die Feuerwehr bringt das noch zusammen, aber sonst niemand.“
rechnen wir nun ein, daß seit oktober 2010 massive budgeteinbrüche des landes wirksam geworden sind, meine ich, wir sind im kulturbereich gut beraten, ein erkennbares maß an selbstorganisation zu zeigen, das eine teil dieser einbrüche zu kompensieren hilft, das andrerseits auch geeignet ist, uns der kommunalpolitik als koopertationbspartner zu empfehlen.
beim stand der dinge werden bürgermeisterinnen und bürgermsieter auch weiterhin sehr genau überlegen, wofür sie verknappte mittel einsetzen. die praktische erfahrung zeigt, daß der unmut einzelner kunstschaffender darauf so gut wie keinen einfluß nimmt. ich denke allerdings, wenn wir von uns aus faktenlagen schaffen, erreichen wir darin andere positionen, von denen aus kulturpolitische fragen viel fruchtbarer verhandelt werden können.