Golf von Amerika

Ich stelle hier eine Behauptung voran, die ich selbst für eine neue Erfahrung halte, deren politische Vorgeschichte zwar bis zum Kalten Krieg zurückreicht, aber nun so radikal wie unübersehbar in unseren oststeirische Wohnzimmern angekommen ist: Weltpolitik prägt Regionalpolitik. Nicht auf Umwegen, sondern sehr direkt.

Ironisches aus den Social Media.

Wenn ich beachte, wie Putin mit der Ukraine verfährt, wenn ich betrachte, wie Trump mit Mexiko und Canada umspringt, von Grönland ganz zu schweigen, wenn ich überlege, was zum Stichwort Nato aktuell debattiert wird, darf ich annehmen, daß Europa sich schleunigst an seine sicherheitspolitischen Hausaufgaben machen sollte. (Und da hab ich noch gar nicht über Chinas Interessen nachgedacht.)

Karte von 1569. [Große Ansicht]

Ich setze als bekannt voraus, daß unsere Sprache Realität erzeugt, daß Definitionsmacht sozial, kulturell und politisch hohe Wirkmächtigkeit hat. Putin und Trump sind gleichermaßen damit befaßt, Grenzen des politisch Machbaren zu testen. Ein hegemoniales Gaunerstück im Sinn des alten Kolonialstils.

Was schert uns das? Es hat längst begonnen, auch unser Leben zu verändern. Da sollte es einem nicht völlig egal sein. Mir ist es nicht egal! Ich bin immer noch sehr überrascht, daß wir nun eine weltpolitische Situation haben, in der sich ein Revival von Konquistadoren und Kolonialherren etabliert.

Ich bin ebenso überrascht, daß ich innerhalb unseres Kulturvölkchens kein geistiges Klima vorfinde, in dem sich ein öffentlicher Diskurs zeigt, der eine Skizze des Big Picture anbietet. Eines ist für mich in dieser Ära nach dem Kalten Krieg ziemlich neu. Globalisierung und die Mediensituation sind Teil eines Kräftespiels, darin berührt und bewegt es sogar unser Leben in Gleisdorf, wenn Putin dies, Trump das und Musk jenes anstellt.

Ich lasse kurz beiseite, wie ungebrochen nach wie vor etliche meiner regionalen Mitmenschen im Raum Gleisdorf Putin und Konsorten medial promoten, um unserem politischen Personal etwas auszurichten. Ich greife hier kurz die Sache mit dem Golf von Mexiko heraus, weil ich das für exemplarisch halte.

Zitat: „Mit der neuen Bezeichnung löst Donald Trump ein Wahlversprechen ein. Ortsnamen auf Karten sind politisch und die von Trump veranlasste Umbenennung zum ‚Golf von Amerika‘ stellt eine verbale Territorialmarkierung dar.“ [Die Zeit]

Der Golf war ursprünglich ein Teil von Mexiko. Diese Region wurde Anfang des 16. Jahrhunderts von spanischen Abenteurern angegriffen, okkupiert, ausgetötet, als Vizekönigreich Neuspanien etabliert. Spanien und Portugal hatten sich damals – jeweils mit päpstlichem Segen – die Welt zum Ausplündern aufgeteilt. Das ist im Vertrag von Tordesillas (1494) und im Vertrag von Saragossa (1529) vereinbart worden. Die europäische Conquista führte dazu, daß Tenochtitlán im Jahr 1535 in Mexiko-Stadt umbenannt wurde.

Mexikos Unabhängigkeit von Spanien geht auf den Mexikanische Unabhängigkeitskrieg von 1810 bis 1821 zurück. Texas war dann ab 1821 ein Teil Mexikos. Dem folgte 1835 bis 1836 der Texanische Unabhängigkeitskrieg.

Texas wurde 1845 von den USA annektiert, anschließend formal in den Staatenbund aufgenommen. Mexiko gab seine Ansprüche auf Texas 1848 auf. In der Kurzfassung ist unübersehbar, daß erst einmal europäische Konquistadoren den Indigenas Ländereien geraubt haben. Zwischen 1836 bis 1845 bestand die teilsouveräne Republik Texas quasi als Puffer zwischen den USA und Mexiko.

Daß Trump sich so ungeschminkt in die Tradition der Conquista stellt und über den Sprachgebrauch dieses alte Kapitel aufgreift, halte ich unter anderem auch für ein Signal an Europa. Wir sollten klären, was das konkret bedeuten könnte.

+) Rechtsruck (Die Übersicht)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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