Wir haben aus dem antiken Griechenland ersten Ideen von Demokratie überliefert bekommen, die Praxis kritischer Debatten und einen konsequenten Umgang mit dem Zweifel.
Wer gelegentlich dazu neigt, Bücher zu lesen, hat eine Vorstellung, wie das gemacht wurde, sich entwickelt hat. Von diesem kulturellen Erbe zehren wir nach wie vor. Auch wer von Europa spricht und von abendländischen Werten, findet leicht einige antike Texte, aus denen man genauer erfährt, worum es dabei ging.
Aber man muß gar nicht so tief in die Vergangenheit blicken. Das 20. Jahrhundert bietet reichlich Eindrücke, was kritische Debatten sind und was dagegen bloß Gewäsch ist. Eine wenigstens skizzenhafte Geschichtskenntnis in Sachen Europa halte ich für unverzichtbar, wenn jemand via Massenmedien in die öffentlichen Debatten einsteigt.
Das sehen nicht alle Leute so. Manche verzichten auf solche Möglichkeiten, um die eigenen Ansichten mit einem Hauch von Fakten zu unterfüttern. Sie hauen einfach raus, wonach ihnen gerade ist. Sie bemühen sich, alle Arten von Einwänden abzuschmettern, indem sie Andersdenkende der Lüge bezichtigen.
Dazu paßt, daß gerne von Zensur gefaselt wir, wenn sich beispielsweise ein Redaktions-Team weigert, konfuse Meinungsäußerungen zu veröffentlichen. Es werden in solchen Milieus überhaupt andauernd Begriffe gekapert und ganz beliebig zum Einsatz gebracht.
Deshalb schreibe ich hier von einer Klugscheißer-Brigade, die so gut wie alles vermissen läßt, was wir in zweieinhalb Jahrtausenden des Werdens Europas über die Möglichkeiten kritischer Debatten gelernt haben, wobei ja auch der Dissens ein wertvolles Gut ist.
Umgang mit Quellen
Was ich in dieser Kolumne behaupte, stütze ich auf Zitate. Ich rezensiere die öffentlichen Äußerungen, die Debattenbeiträge solcher Leute. Ich spekuliere nicht über ihre inneren Vorgänge, über ihre Gesinnung. Das heißt, ich konzentriere mich auf Diskurskritik. Ich unterscheide dabei: was sind Argumente zur Person und was Argumente zur Sache?
Sie finden in dieser Kolumne schon allerhand davon, einiges auch an ganz konkreten Personen festgemacht. Ich hab mich wesentlich (aber nicht nur) auf das Kulturvölkchen konzentriert. Ich behaupte immer noch, es habe im steirischen Kulturbetrieb einen erheblichen Rechtsruck gegeben. Dieser Prozeß ist keine Novität. Er entfaltet sich seit vielen Jahren ungeschminkt.
Das ist unter anderem deshalb möglich, weil sich im steirischen Kulturvölkchen ein auffallender Mangel an intellektueller Selbstachtung breit gemacht hat. Sie befinden sich hier bei meiner Kolumne „Rechtsruck“. Parallel dazu führe ich auch die kulturpolitische Kolumne „Ein Feuilleton“. Dort rezensiere ich ebenfalls, was ich im öffentlichen Diskurs vorfinde.
Und nun? Österreichs Gesellschaft rückt weiter nach rechts. Das ist keineswegs überraschend. Spätestens ab 2020 war völlig unübersehbar, in wie vielen gesellschaftlichen Bereichen eine radikale Art der Komplexitätsreduktion gewissermaßen zum Volkssport wurde, um komplizierte Kräftespiele ganz simpel zu erklären. Da regiert das Prinzip „Verkünden statt begründen“. [Fortsetzung folgt!]
+) Rechtsruck (Die Übersicht)
Postskriptum
Einen Beleg für den Rechtsruck sehe ich fermer darin, daß sich an der innerfamiliären Gewalt in Österreich, wie auch speziell an der Gewalt gegen Mädchen und Frauen, weder qualitativ noch quantitativ etwas verbessert. Im Gegenteil. Ich hab dazu unter „Orange 24“ einiges zusammengefaßt.