Kulturpolitisch vorerst gestrig

Das „Arbeitsübereinkommen der FPÖ Steiermark und der Steirischen Volkspartei 2024–2029“ ist nun öffentlich verfügbar. An etlichen Stellen kommt man ins Grübeln.

Substanzschwache Wohlfühlsätzchen, die alles und nichts bedeuten können.

Ich bin zum wiederholten mal einigermaßen konsterniert, mit welchen überholten Begriffen die kulturelle Situation der Steiermark beschrieben wird, ohne daß es – so weit ich sehe – Einwände auslöst. Zu den Vorhaben der frischen steirischen Landesregierung gehört etwa die „Neufassung des Kunst- und Kulturförderungsgesetzes“. Wie soll das gelingen, wenn womöglich der kulturpolitische Diskurs im vorigen Jahrhundert steckengeblieben ist?

Kleiner Einschub: Zum Komplex Kunst und Kultur wird ohnehin dauernd irgendwo irgendwas geäußert. Darunter viel Gefühltes und die permanente Reproduktion von Klischees. Aber zurück zum Regierungsprogramm.

Das Kapitel „Kunst, Kultur & Brauchtum“ hat einen bemerkenswerten Vorspann: „Kulturstandort Steiermark stärken – Tradition und Moderne sind gleichberechtigt!“ Erstens ist „ Tradition“ ein ganz beliebig befüllbarer Containerbegriff und zweitens steht der Begriff „Moderne“ für eine längst vergangene Epoche. Das Kapitel beginnt dann mit den Worten „Die Steiermark ist ein Kulturland zwischen Tradition und Moderne.“ Diese Aussage ist unscharf bis falsch.

Was „Tradition“ meinen könnte, steht im Rang der Feststellung „Das Wasser ist naß“. Selbstverständlich ist das, was uns gelingt, auf die Vorleistungen anderer Menschen gestellt. Wissens- und Kulturarbeit ereignet sich in diesem Sinn und nur so. Nämlich in der Beachtung von Vorleistungen anderer Menschen und dem Reflektieren der gewachsenen/tradierten Denkweisen, also auch im Sinn einer wenigstens kursorischen Geschichtskenntnis. No na! Was sonst?

Typisch spießbürgerliche Kunst-Exegese mit Fake-Verdacht: Welche Quelle belegt, daß Chagall so einen Blödsinn rausgehauen hat? (Quelle: Rainer Ostendorf, Facebook)

Das festzustellen ist etwa so aufschlußreich wie die Mitteilung „Der Papst ist katholisch“. Und die „Moderne“? Die ist schon lange vorbei. Nicht etwa weil Lyotard anno 1979 die Postmoderne erklärt hat. Wir können aber im Rückblick ganz gut sehen, worauf sich der Begriff in einem internationalen Diskurs bezieht.

Zugegeben, das Definieren und zeitliche Eingrenzen einer Epoche bleibt etwas Hybrides. Diskurse laufen ja stets weiter. Historiker Eric Hobsbawm hat betont, „die Wahl eines bestimmten Datums ist eine Konvention und nichts, wofür Historiker ins Gefecht ziehen würden“. Da können sich Definitionen also ändern. (So ist das Wesen von Konventionen.)

Was aber den Begriff „Moderne“ angeht, kennen wir einen sehr breiten Konsens, daß damit in der näheren Vergangenheit die Zeit zwischen Aufklärung, Französischer Revolution und dem Ersten Weltkrieg gemeint ist. (Was in Diskursen als Postmoderne und auch als Zweite Moderne auftaucht, hat in der Zuschreibung noch keinen sehr breiten Konsens.)

Zur Orientierung
Die Französische Revolution ist mit 1789–1799. datiert. Für die Aufklärung wird das gesamte 18. Jahrhundert gerechnet. James Watt erhielt 1769 ein Patent für die Optimierung der Dampfmaschine. Damit setzte die Erste Industrielle Revolution ein. Die kam etwa zwischen 1910 und dem Großen Krieg (1914) durch eine enorme Automatisierungswelle in ihre zweite Phase.

Eine Postpostmoderne Problemlage: Warnsingnal oder banales Hintergrundrauschen? (Quelle: Focus online)

In solchen Prozessen entstanden neue Formen von Massengesellschaften. Eric Hobsbawm sprach folglich vom „Kurzen 20. Jahrhundert“, das sich nach seiner Überzeugung in den Ereignissen zwischen 1914 und 1991 vollzog.

Hobsbawm stellt also zur Debatte, daß eine Epoche mit dem Ersten Weltkrieg geendet hat. Die darauffolgende Epoche reichte bis zum Ende der Sowjetunion. In dessen Kielwasser ging dann auch gleich Jugoslawien unter, das übrigens kein Ostblockstaat war, was heute noch gerne da und dort angenommen wird. Die Moderne in den Künsten ist etwas anders definiert. Ich komme noch drauf zurück…

+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Die Quelle
Das „Arbeitsübereinkommen der FPÖ Steiermark und der Steirischen Volkspartei 2024–2029“ kann man hier als PDF-Datei downloaden. (Ich werde später noch skizzieren, weshab und wodurch man di Moderne und die Digitalmoderne unterscheiden könnte.)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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