Episode XLVI: Wann ist Kunst? (Kontext)

Ich hab mir bei der Arbeit an Mythos Puch X überlegt, auf welche Weise sich veranschaulichen ließe, wie der Mensch mit Technik einige Brückenschläge zwischen Natur und Kultur zuwege gebracht hat.

(Design-Studie von Friedrich Spekner.)

Im alten Griechenland stand der Begriff Techné gleichermaßen für Handwerk, Kunst und Wissenschaft. In Europas Mythologie gibt es dafür ein paar exponierte Figuren. Der vermutlich prominenteste dürfte Dädalus, der Vater des Ikarus, sein.

Was damals gesamt als Techné verstanden wurde, hat sich sehr gründlich ausdifferenziert, so daß wir es heute mit ganz verschiedenen Genres zu tun haben. Aber es sollte klar sein, daß Handwerk, Kunst und Wissenschaft nach wie vor einige gemeinsame Quellen haben, aus denen in allen drei Bereichen geschöpft wird.

Da kommt mir die Arbeit von Rudi Klein grade recht. Genau damit lassen sich verschiedene Aspekte des Themas betonen. Ich besitze das Original, zeige im Zeit.Raum-Fenster eine Reproduktion. Das Verhältnis dieser beiden Kategorien zueinander ergibt ein breites Thema

Detail des Blattes.

Hat die Reproduktion ebenfalls eine Aura wie das Original? Ergeben sich Bedeutung und Wert überhaupt erst durch die Zuschreibung, die ein Mensch vornimmt? Ist das so zu debattieren, wie etwa der Unterschied zwischen Nutzwert und Marktwert?

Als Cartoon wäre das Blatt eher der Abteilung Gebrauchsgrafik zuzurechnen. Was aber Klein handwerklich und ästhetisch aufbietet, ließe ihn damit ohne weiteres im Genre Gegenwartskunst rangieren. Wer entscheidet das nun? (Vermutlich der Künstler selbst.)

Rudi Klein (rchts) und Martin Krusche.

Dazu kommt die inhaltliche Brisanz des Blattes. Österreich hat eine Volksmotorisierung über den massenhaften Privatbesitz von Automobilen erst ab den späten 1950er Jahren erfahren.

Heute steht dieses gesamte Segment der Mobilität in einem mehrfach fundamentalen Umbruch. Technisch, sozial und ökologisch haben wir da einiges zu klären, während China die Automobilentwicklung und -produktion Europas so hart bedrängt wie nie zuvor.

In eben diesem Zusammenhang ergeben die „50 Jahre Puch G“, mit denen wir uns derzeit befassen, eine spezielle Verlaufsgeschichte. Der „G-Wagon“ ist ein Produkt der Zweiten Industriellen Revolution, die Anfang der 1970er Jahre für das gesorgt hatte, was ich den „kurzen Sommer des Automobils“ nenne.

Mit der G-Klasse ging es dann quer durch die Digitale Revolution, um nun, da wir schon in der Vierten Industriellen Revolution angekommen sind, aktuell ein neuer Erfolg zu werden; mit einem Fahrzeug, das den frühen Puch G zwar formal zitiert, aber technisch etwas ganz anderes geworden ist.

Deshalb kontrastiere ich in dieser Episode die Grafik von Rudi Klein mit der Reproduktion einer Designstudie von Friedrich Spekner, dem wohl profiliertesten Designer in den historischen Puchwerken. (Das Original gehört zur Sammlung von Markus Rudolf.)

Es ist ein Detail des Puch G, jene hochgezogene Dachlinie, die nötig war, um die Hecktüre etwas größer gestalten zu können. Der simple Grund: Dieser frühe Puch G war sehr wesentlich militärischen Zwecken gewidmet. Da mußten Soldaten mit ihren Sturmgewehren zügig rein und raus können, ohne sich mit den Waffen im Türrahmen zu verkeilen.

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++) Das Projekt: Mythos Puch X

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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