Episode XXXIX: Zum 8. Mai II

Ich habe mich mit Begriffen wie „Alltagsfaschismus“ oder Alltagsrassismus“ nie abfinden wollen. Was will denn so ein Mumpitz bedeuten? Vielleicht daß Faschimus und Rassismus am Sonntag in feineren Klamotten daherkommen?

Der Faschismus war 1945 militärisch geschlagen, nicht ideologisch.

Ich habe den Verdacht, das sind bloß Verniedlichungen, wo sich jemand an die Wucht der Themen nicht heranwagt. Der Faschist weiß entweder, was er ist, oder er ist ein Ministrant des Faschismus und potentiell auf dem Weg. Das macht nichts besser. Die Rassistin mag sich ihre Ressentiments schönreden, es bleibt was es ist und dazu tragt bei, solche Wege zu ebnen..

Natürlich hat Menschenverachtung ein weites Repertoire an Nuancen. Ich kann die Effekte solcher Nuancen unterschiedlich bewerten. Das ändert aber am Kern der Sachen nicht, daß selbst ein Hauch von Faschimus wie auch ein Quentchen von Rassismus diese ideologischen Systeme insgesamt stärkt.

Und lassen Sie sich nicht einreden, diese Haltungen seien in unserer Natur begründet. Sie sind Kulturgut. Menschenwerk. (Aggression ist naturgegeben, Gewalttätigkeit eine Anomalie.) Man muß sich bei all dem nicht um Heiligsprechung bemühen. Ich finde, es genügt völlig, die eigenen Kriterien gelegentlich zu überprüfen, das eigene Verhalten bei Bedarf nachzujustieren.

Bewußt oder unbewußt, so zeigen sich die Ministranten des Faschismus auf den Straßen.

Sie werden hoffentlich nicht so töricht sein, sich unbegrenzt und ohne jegliche Prüfung auf einen Feuerlöscher in Ihrem Haus, auf den Ölstand im Motor Ihres Autos oder auf eine Packung Milch in Ihrem Kühlschrank verlassen. Es ist klüger, ab und zu Nachschau zu halten.

Gut, dann tun Sie das bitte auch mit Ihren Kriterien zu Fragen der Menschenverachtung, halten sie Nachschau bei sich selbst. Und billigen Sie es in Ihrer Umgebung nicht, wenn sich jemand diese oder jene kränkende Abschätzigkeit leistet, egal gegenüber wem. Die Herabwürdigung in Worten in eine verläßlich Wegbereiterin nächster Zumutungen und leibt ein Wegweiser auf der langen Route zur physischer Gewalt.

Es sollte ebenso verläßlich auf ein Spiel mit problematischen Motiven und Symbolen verzichtet werden, denn sie wirken immer auch als Werbebotschaften. Wer ist denn so blöd und klebt sich einen stilisierten Reichsadler im Großformat auf sein Auto? Wer ist psychisch so labil, daß er öffentlich mit Gewaltphantasien prahlen muß? Wessen Ego ist derart im Keller, daß er andersdenkende Menschen öffentlich beschimpfen, attackieren muß, um sich Beifall zu holen?

Menschenverachtung und Gewaltbereitschaft sorgen in kleinen Dosen für die permanente Präsenz dieser Bedrohung gegenüber allen Menschen einer Gemeinschaft, um bei Bedarf das Volumen hochzufahren, was leicht auch die Absender der Niedertracht treffen kann. Ich weiß, dann will es wieder keine gewesen sein. Und irgendwer wird das Blut schon wegwischen… [Vorlauf] [Fortsetzung]

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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