[Vorlauf] Vorhin hab ich notiert: Ich kann mich für den Alltagsdiskurs nicht auf politikwissenschaftliche Traktate stützen. Ich brauche etwas leichter Handhabbares, das dennoch eine gewisse Genauigkeit bietet.
Wenn ich aber etwas Dynamischeres brauche, was ist das Statische, von dem ich wegkommen möchte? Das will ich erst einmal klären. Es läßt sich am Beispiel der Stadt Gleisdorf ganz gut verdeutlichen. (Das kann man gewiß auch auf andere Orte umlegen.)
Die politischen Positionen links, Mitte und rechts sind Orientierungspunkte in einem gedanklichen/ideologischen Panorama. Wir können vorliegende Programmpapiere von politischen Formationen nutzen, um diese Gruppen innerhalb des Panoramas anzuordnen
In Gleisdorf stünde demnach die FPÖ rechts, die ÖVP verkündet dieser Tage per Inseratenkampagne „Wir. Die Mitte.“, die SPÖ sollten wir links finden können. Wären noch die Gleisdorf Grünen passend einzufügen, eher mittig, nehme ich an. Soweit die Fraktionen im Gemeinderat.
Blieben noch Neos und Kommunisten, derzeit ohne Mandate, aber ihre Spuren finden sich nach wie vor; etwa durch Stickers in der Innenstadt. Zuzüglich die informellen politischen Kräfte, die sich gelegentlich zeigen, sonst eher hinter verschiedenen Vorhängen bleiben. Im Falle Gleisdorfs die MFG und die Identitären.
Von der FPÖ wissen wir bundesweit, daß es Kontakte zu Identitären gibt und Kontakte zu Putins Umfeld dingfest waren. Die MFG hat da auch so ihre Bezugspunkte. Die Gleisdorfer ÖVP ist wohl eher rechts der Mitte zuhause, die Grünen dürften demgegenüber links der Mitte rangieren.
All diese Zuschreibungen sind aufgrund verfügbarer Programme und Papiere möglich. Ich hab in Gleisdorf die Erfahrung gemacht, daß sich Funktionstragende der Parteien vor konkreten Fragen eher drücken, wenn man in diese Rechts-Links-Thematik hineingeht. Es ist also unser aller Sache, Zuschreibungen von außen vorzunehmen.
Ich will zur Beurteilung von politischen Positionen etwas Dynamisches mit einer gewisse Genauigkeit zur Verfügung haben. Dazu blicke ich über Grundsatzpapiere hinweg und beachte die öffentlichen Diskurse. Wie lauten Kommentare der Funktionstragenden in den regionale Medien und in den Social Media? Was besagen geschaltete Inserate? Was kommt per Postwurf ins Haus?
Ich hab – wie schon angedeutet – eine Lösung gefunden, wie ich die politischen Metaphern „links“ und „rechts“ zu Standortbestimmungen im Alltagsdiskurs praktisch nutzen kann, ohne dabei heillos ungenau zu werden.
Noch einmal zur Erinnerung: Die Metaphorik stammt aus der Französischen Revolution. Ende des 19. Jahrhunderts nahmen im alten Österreich nationalistische Diskurse zu, die teils rassistisch gefärbt waren und als politische Debatten gelten müssen. Da bekam „links/rechts“ seine spezielle Färbung.
Dann führte der Weg von Verdun über Auschwitz nach Srebrenica, erlebte letztlich mit dem Untergang Jugoslawiens ein sonderbares Revival der feindseligen Lager, die teils politisch, teils auch konfessionell gewichtet waren.
Dabei haben viele von uns völlig übersehen, wie seit den 1980ern gleichzeitig eine Neue Rechte quer durch Europa politisch so fulminante Erfolge errungen hatte, daß sich sogar russische Kräfte davon inspirieren ließen.
Das wurde teilweise sehr engagiert mit antiamerikanischen Ressentiments übertönt. Wenn wir also an den politischen Begriffen „rechts“ und „links“ festhalten wollen, müssen wir reden. Es ist aktuell zu klären, was das meint. [Fortsetzung]
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