klärungsbedarf

wir sind uns definitiv einig: die KUNST ist die kunst und hat ihren zweck in der kunst. sie ist kein werkzeug „um zu…“, kein soziales programm, keine wellness-einrichtung, keine tourismus-maßnahme. als kunstschaffende widmen wir unsere künstlerische praxis der kunst. basta! aber!

wir sind als künstler soziale wesen, politisch anwesend. das bedeutet, wir verwenden unser reflexionsvermögen auf den lauf und den stand der dinge. und wir bringen unsere kompetenzen, die wir unter anderem in langjähriger befassung mit kunst erwerben, als engagierte bürger in das gemeinwesen ein.

christian strassegger

nein, das ist jetzt keine erklärung, keine verlautbarung, kein manifest. dieses WIR ist ein sehr loses, eigentlich: flüchtiges, das sich über kommunikationsverhalten und gelegentliche zusammenkünfte konstituiert. wir sind keine gruppe. die zusammensetzungen an den tischen sehen meist höchst unterschiedlich aus.

so, das war nun die stunde der offenbarungen. mehr ist davon augenblicklich wohl nicht nötig. „kunst ost“ ergibt einen MÖGLICHKEITSRAUM, in dem sich gelegentlich etwas von all dem verdichtet. manchmal heißt das auch einfach: ein paar drinks und über das leben wie über die kunst plaudern.

mir ist freilich die KONTINUITÄT wichtig. ich lege großen wert auf ein anregendes geistiges klima. das braucht inspirierte menschen, die miteinander zu tun haben möchten; wenigstens temporär. deshalb müssen wir nichts gründen. es ist ohnehin schon alles gegründet worden.

emil gruber

früher gab es hier einmal eine verschwörung der poeten“. das hat mir auch gefallen. heute ist das setup anders, wesentlich luftiger. naja, das „kuratorium für triviale mythen“ spielt derzeit schon eine markante rolle. motive und schwerpunkte ändern sich eben.

diesmal saß ich mit christian strassegger und emil gruber am tischchen. gerhard flekatsch [bluethenlese] gesellte sich schließlich dazu. wir debattierten die möglichkeiten, gelder für weiterführende projekte zu lukrieren. das faktum runtergefahrener bzw. völlig gestrichener kulturbudgets der gemeinden im ländlichen raum läßt sich nicht zurecht- oder wegdiskutieren. es gab schon vor jahren da und dort den expliziten politischen wunsch, die mittel kunstschaffender runterzukürzen und lieber in den sozialbereich zu investieren.

aus einer gleisdorfer wahlkampfbroschüre vom märz 2010

ich kann mich nicht erinnern, daß quer durchs land stimmen dagegen laut geworden wären. dem steht gegenüber, daß eine ubanisierung der „provinz“ unsinn wäre, daß also strategien aus den zentren sich nicht hierher verlegen und sinnvoll anwenden lassen. dazu zählt auch, daß herkömmliche ideen von sponsoring für unsere tätigkeitsbereiche nicht umsetzbar sind.

gerhard flekatsch

momentan verfügbare ideen in diesem zusammenhang greifen bloß dort, wo es um etablierte kunstformen und um repräsentation geht. also zum beispiel im musikbereich, wo die operettte regiert, klassische musik zuspruch erlebt und zeitgenössische musik sich da in nischen mitereignen darf.

bei bildender kunst regiert natürtlich der kanon, bei literatur und anderen geistigen stoffen ebenso das, was im feuilleton längst reüssiert hat. kurz, herkömmliches sponsoring setzt hauptsächlich auf den repräsentativen veranstaltungsbereich, auf bewährtes und populäres oder überhaupt lieber auf sport.

ich schreibe das ganz unaufgeregt, weil es vollkommen schlüssig ist, daß es sich so ereignet. wir sollten wissen, womit wir es zu tun haben und auf welchem terrain sich AUCH unser tun entfaltet. daß heißt dann für leute wie uns vor allem einmal, wir sollten gute gründe wissen, warum es unsere aktivitäten geben muß und warum das auch finanzierungen verdient. darüber haben wir also zu reden: was sind diese guten gründe?

ob wir es beklagen, ignorieren, ausblenden, egal, es gibt momentan einen enormen verdrängungswettlauf. eine stadt wie gleisdorf hat gegenüber 2009 ihr kulturbudget UM etwa 75 prozent AUF zirka 25 prozent heruntergekürzt. auf das verbleibende budget sind allerdings auch mehr einrichtungen aus, als in kleinen gemeinden. aber immerhin hat eine kleinstadt noch eine infrastruktur, wo wir bei manchen vorhaben durch sachleistungen seitens der kommune unterstützung finden.

in den kleineren gemeinden waren es entweder vorher schon NULL prozent kulturbudget, sind es spätestens jetzt MINUS hundert prozent, viele davon haben nicht einmal kulturbeauftragte. das ist der status quo in einer landschaft, wo nicht einmal unter gebildeten leuten und personen mit akademischen graden ein weitreichender grundkonsens herrscht, daß die „provinz“einen lebhaften KULTURBETRIEB haben solle, was – bitte schön! – keineswegs NUR veranstaltungskultur meint.

kurz: es besteht eine menge klärungsbedarf. gehen sie bitte davon aus, daß wir freilich gerüstet sind, diese debatte zu führen…

— [was ist kunst?] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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