ich wurde inzwischen mehrmals gefragt, wie ich denn auf das thema „agrarische welt“ gekommen sei. das ist eine geschichte in mehreren ereignis-sprüngen. der jüngste davon ereignete sich im sommer 2010, als ich mit tierarzt karl bauer das kosovo besucht hatte. das bescheidene level, mit dem die meisten bauern dort zurechtkommen müssen, entspricht, so bestätigte mir bauer, ungefähr dem, was der standard in der oststeiermark noch bis zum zweiten wetkrieg gewesen ist. (das hat mir eine menge fragen verursacht, auf die ich dort antworten bekam.)
davor hatte ich das motiv schon in meinem „regionalen fahrtenbuch“ aufgegriffen: [link] dieser bereich unserer website trägt seit anfang 2010 das motto „zwischen landwirtschaft und high tech“. der grund ist naheliegend. das vormalige armenhaus österreichs, die oststeiermark, war erst nach dem zweiten weltkrieg durch verschiedene modernisierungsschübe zu jenem wohlstand gelangt, den wir heute kennen; und um den neuerdings wieder gefürchtet wird.
ich hatte im ersten eintrag des fahrtenbuchs das wappen von krottendorf werwähnt, in dem ähre und zahnrad diese bipolare situation symbolisieren: agrarisches und technisches. außerdem ist dort von einem zweibändigen werk die rede, das für mich schon für über 20 jahren jene orientierungshilfe ergab, durch welche mir diese region ein stück besser begreiflich wurde: „bäuerliches leben in der oststeiermark seit 1848“ von karl kaser und karl stocker.
zwischen diesen sehr verschiednen zugängen lag für mich die erfahrung, daß über den weg zur landesausstellung 2001 (“energie”) bis in die gegenwart eine legion von leuten in tourismus-büros, regionalmanagements etc. so allerhand flott dahinschrieben, was die region sei. dorch ein großteil dieser schilderungen, oft in aufwendigen print-produktionen publiziert, gibt eigentlich bloß sehr klischeehafte schilderungen in ausschnitten vom angeblich bäuerlichen und regionalen leben wieder.
wo wir uns heute um den kulturellen bereich einer eigenständigen regionalentwicklung annehmen und für diesen teil des gesellschaftlichen lebens relevante beiträge zu erarbeiten versuchen, muß einigermaßen klar sein, daß wir in der bloßen orientierung an stereotypen promt ins leere laufen und unnütz geld versenken würden.
wir können und wollen in der arbeit nicht ignorieren, was eben noch bestimmend, geradezu normativ im leben der menschen dieser region gewesen ist. was daran sozialgeschichtlich interessant erscheint, dazu erhielten wir gerade nennenswerte anregungen bei ersten „tag der agrarischen welt“.
all das bringt außerdem bezugspunkte zu gegenwärtigen problem- und aufgabenstellungen hervor. individuelle mobilität, verkehrskonzepte, ernährungssicherheit und die frage der nahrungsmittelqualität; vor dem hintergrund weltweiterfinanzkrisen und hochschnellender energie- wie nahrungsmittelpreise zur debatte gestellt.
das sind nicht notwendigerweise bevorzugte themen künstlerischer praxis. aber das sind fundamentale themen, auf denen sich kulturelles engagement aufbaut. und dabei ergibt sich dann durchaus, daß teilthemen und aspekte greifbar werden, die sich dann als künstlerische sujets nahelegen.
so werden wir also dem überaus komplexen thema „agrarische welt“ weiter nachgehen, werden auch interessante querverbindungen zur regional präsenten welt des high tech im auge behalten und in summe einiges beitragen können, was eine authentische vorstellung von dieser region ausmacht. genau DAS sind dann auch durchaus relevante rahmenbedingungen für ein künstlerisches geschehen und ein kulturelles klima, welches dieses künstlerische geschehen fördert.
— [das april-festival 2011] —