In einer pluralistischen Gesellschaft muß Antwortvielfalt als Prinzip gelten. Anders kann ich mir Demokratie nicht vorstellen.
Daraus folgt aber zwingend, daß sich auch kulturelle Vorhaben manifestieren, die mit Grundsätzen der Demokratie eigentlich kaum bis überhaupt nicht vereinbar sind. Wir sollte mir das gefallen? Aber ich muß es akzeptieren, wenn ich eine meiner selbstgewählten regeln nicht verletzen will; eben dieses Prinzip der Antwortvielfalt.
Ich habe in der vorigen Notiz festgehalten: „Vor rund 40 Jahren war es undenkbar, den Begriff ‚Gegenkultur‘ mit radikal rechten Positionen zu assoziieren. Das hat sich gründlich geändert.“ Wir haben es in Europa seit den 1980ern mit einer Neuen rechten und mit einer Art „Kulturrevolution“ von rechts zu tun.
Kulturrevolution?
Diese „Kulturrevolution“ hat sich im Raabtal solide etabliert. Aus dem „Hackher-Zentrum“ der „Identitären“ wurde die „Kulturfestung“, in der man sich völkisch gibt. Laut Heimat-Kurier: „Das Ringen um den Erhalt der ethnokulturellen Identität. ‚Unser erstes Anliegen muss es sein, den Bevölkerungsaustausch aufzuhalten. Sonst haben wir als Volk verloren‘, stellt Wiedner klar.“
Dabei wird übrigens auch die vorzügliche Zusammenarbeit mit der FPÖ betont: „Der Kurs Kickls macht Hoffnung auf eine künftig verstärkte Zusammenarbeit zwischen Partei und Bewegung. Und dies ist für einen metapolitischen Wandel in Österreich unumgänglich…“
Ein klassischer Reflex wäre es nun, zu solchen Vorgängen eine lokale, respektive regionale „Gegenbewegung“ zu entwerfen. Eine Art kulturelle „Konterrevolution“. Aber allein die Idee hielte ich schon für blanken Unsinn. Es wäre bloß mehr vom Gleichen und es hieße, die kleine Bühne dieser Leute zu betreten, statt auf dem weiten Feld der Kultur zu bleiben.
Nebenbei bemerkt: So einen Abstieg ins Winzige hat eine seriöse Wissens- und Kulturarbeit gar nicht nötig. Wir konnten uns schon in den 1970er Jahren auf die Vorleistungen bemerkenswerter Menschen stützen, während wir unsere Vorstellung einer adäquaten Wissens- und Kulturarbeit entwickelten.
Es ging ja darum, das Barbarische in unserer Gesellschaft zu bannen. Als ich 1956 zur Welt kam, hatten die Waffen gerade erst rund ein Jahrzehnt lang geschwiegen. Das reicht nicht, um jene Brutalisierung einer Bevölkerung wegzuarbeiten, die ein Krieg konstituiert.
Wovon konnte ich ausgehen?
Ich nenne bloß einige markante Beispiele. „LTI – Notizbuch eines Philologen“ (1947) Victor Klemperers grundlegendes Werk über die Sprache des Dritten Reiches. „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (1957) von Karl R. Popper. „Vita activa oder Vom tätigen Leben“ (1960) von Hannah Arendt. Die „Pädagogik der Unterdrückten“ (1971) von Paulo Freire. „Kultur für alle“ (1979) von Hilmar Hoffmann.
Das waren anregende Arbeiten, während wir als Youngsters ein Stück Gegenkultur erprobten, weil wir jungen Rotznasen mit unseren Vorstellungen den alten Kräften nicht willkommen waren, auch nicht jenen davor so sperrigen, wie den 1930er- und 1940er Jahrgängen in einem „Forum Stadtpark“.
Die Neue Rechte
Was nun die Neue Rechte als „Gegenkultur“ propagiert, handelt vor allem davon, daß sie Begriffe kapern, um eine Privatmythologie zu bewerben und zu vermarkten. Als kulturelle Impulsgeber sind sie Kopien und ein wenig fad. Ich kannte als Kind ja noch die Originale der Faschisten, von denen in den 1930ern die Welt angezündet worden war. Die fand ich vergleichsweise interessant. Ihre Epigonen langweilen mich.
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