Ich sehe es so: Unser Neofaschismus ist ein von den Nazi hergeleiteter, aber vom Holocaust „bereinigter“ Faschismus, der sich im Alltag überaus gesellig zeigt.
Im Raum Gleisdorf und in der Oststeiermark haben sich Communities gebildet, in denen unbedarfte Leute mit neofaschistischen Kräften gemeinsam ein soziales und kulturelles Leben gestalten. Das ist sehr smart. Dadurch wird es schwierig, sich zu orientieren. Mit welchen gesellschaftlichen Kräften haben wir es da zu tun?
Ich beobachte hier nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten diesen schlauen Modus, in dem die eher antiquierte Form der Agitation durch eben diese Arten der Geselligkeit ersetzt wurde, die sich auch als ein Teil des Kulturbetriebs in Gleisdorf manifestiert.
Agitation kommt dann bestenfalls vereinzelt mit Flugblättern, diversen Folders, Aufklebern und manchen Kritzeleien in der Innenstadt. Es kommt öffentlich kaum noch vor, daß sich jemand rassistisch oder antisemitisch äußert; in privaten Gesprächen aber sehr wohl. Und Nazi-Kolorit? Ist überflüssig geworden. Stört bloß.
Agitation kommt auch über einzelne Botschaften, die via Social Media rausflattern, dabei aber in einem Fluß von anderen Nachrichten schwimmen. Ganz dezent! Das Geplätscher betrifft dann zum Beispiel gesunde Ernährung, Naturschutz, Yoga-Übungen, Urlaubsziele, Kindergeburtstage, nette Weisheiten und andere völlig unverdächtige Sujets zwischen denen ab und zu gröber Hiebe erscheinen. Naja, gut, ab und zu eine Protestveranstaltung, ein Spaziergang mit Botschaft, ein Fest, eine Retreat-Sache. Irgendwas geht allerweil.
Um dieses Feld zu dechiffrieren und die Ministranten der Menschenverachtung von unbedarften Leuten zu unterscheiden, muß man eine Weile genau zuhören, mitunter recherchieren. (Ich werde das an anderer Stelle noch mit Beispielen belegen.)
Die Weggabelung
Ich unterscheide zwischen einerseits dem tendenziell geselligen Neofaschismus hier und andrerseits dem historischen (vom Holocaust kontaminierten) Nazi-Faschismus dort? Dem alten Konzept hatten sich Neonazi nach 1945 noch recht offen gewidmet und sind dafür teilweise in den Knast eingefahren.
Der aktuelle Neofaschismus hat das alles abgestreift und der Menschenverachtung neue Codes, neue Klamotten, einen neuen Duft verliehen. Manches davon ist mir vor rund einem Jahrzehnt zum Beispiel unter dem Stichwort „Eso-Nazi“ untergekommen.
Und zwar über Reaktionen von Leuten wie dem steirischen Autor Stefan Schmitzer, dessen Text: „Eso-Nazis, kleine Rehlein und die große Krebslüge“ diese Begriff weitertrug. (Das Heart Culture-Festival 2013 in Großsteinbach war bezüglich Antisemitismus ins Gerede gekommen.)
Die neuen Codes, Klamotten Duftmarken des Faschismus sind plausibel. Es ist auch jedem Neonazi klar, daß er in Österreich nicht offen mit Antisemitismus, Rassismus und Holocaust assoziiert werden darf. Da hat man es zum Beispiel in Italien leichter. Dort kann man juristisch unangefochten als Neofaschist auftreten, weil diese Bürde der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht auf deren Nation lastet.
Zum Thema „The Great Reset“ und dessen Funktion komme ich in der nächsten Glosse. Dieses Ding ist weit raffinierter als ich anfangs dachte. Ich vermute bei flüchtiger Betrachtung außerdem, daß sich jenes Werden des Nazifaschismus vom Werden des neofaschismus unter anderem deshakb so markant unterscheidet, weil dieser Neofaschismus im Wohlstand erblüht, der Nazi-Faschismus dagegen ein von Verarmung bedrohte und von großen Krieg traumatisierte Bevölkerung betraf. (Fortsetzung)
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