In der Kunst leben

Als junger Kerl entschied ich mich in der Kunst zu leben. Ich bin nun im 46. Jahr der Konsequenzen, nachdem ich meine Anstellung als Buchhändler von heute auf morgen gekündigt hatte. Ich mochte die Pose, auf eine Kündigungsfrist und ausstehendes Geld zu verzichten. Ein romantische Zugang, den ich auch in der künstlerischen Arbeit hatte.

Es handelte von einer Vorstellung, daß es völlig genügen würde, als Poet ein angemessenes Leben im Sinn einer Bohème zu führen und auf die schöpferische Kraft zu vertrauen, die einen beflügelt. Diese geradezu naive Auffassung schloß ein, daß ich mich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen müsse, bis ich als Autor reüssiert hätte, um so und so mein Brot zu verdienen.

Natürlich belehrten mich der Kulturbetrieb speziell und ein Lauf der Dinge ganz generell, wie diese Profession tatsächlich funktioniert. Das hat eine Reihe von faszinierenden Seiten. Ich staune heute noch gelegentlich, wie groß die Entscheidungsspielräume an manchen Stellen sind und wie unerbittlich die Konsequenzen von Entscheidungen.

Ich hab freilich damals allerhand Details nicht geahnt, nicht vorhergesehen. Dazu gehört dieser Bereich der ästhetischen Erfahrungen und ihrer Bedingungen. Ich hab in meinen Notizen immer wieder betont, daß Ästhetik nicht vor allem von Schönheit handelt, sondern von Wahrnehmung. Das ist die Bedeutung des griechischen Wortes Aisthesis.

Wahrnehmungserfahrungen sind das Hauptangebot von Kunstwerken an uns alle. Wenn wir diesen Vorgängen Raum geben können, verändern sie uns grundlegend. Das meint unter anderem auch Geschmacksbildung. Ich kann mich als Besucher, Betrachter, Lesender, Hörender völlig darauf beschränken, es bei Rezeption und allenfalls Reflexion zu belassen.

Es steht mir frei, mich auf Kunstwerke nach rein sinnlichen Kriterien einzulassen. Sie gefallen mir oder auch nicht. Sie sagen mir etwas oder auch nicht. Es ist mir aber auch noch ein anderer Zugang möglich. Da geht es um die Regeln der Kunst. Das handelt von einer Kenntnis wenigstens etlicher Teile der Kunstgeschichte und vom Stand der Diskurse über Kunst.

Ich kann beides kombinieren oder auf einen der Zugänge völlig verzichten. Es ist so und so legitim. Ich werde mich bloß in Debatten mit anderen Leuten eher zurückhalten müssen, wenn mir die Regeln der Kunst weitgehend fremd sind. Man muß sich eben entscheiden, auf welcher Ebene von Debatten man sich bewegen möchte.

Ich arbeite seit geraumer Zeit mit Monika Lafer zusammen. Sie ist Malerin, bewegt sich aber als Kunsthistorikerin auch auf der Metaebene. Das bedeutet, wir halten uns beide Zugänge offen. Die sinnliche Wahrnehmung von Werken und ihre Betrachtung über die Regeln der Kunst.

Im Projekt „Die Natur Mensch. Eine Annäherung.“ folgt nun die dritte Session, an der man formlos teilnehmen kann. Sie ist solchen Zusammenhängen gewidmet. Dazu vorab eine Anregung von Monika Lafer: „Ästhetik? Kann ich auch!

Die Session
Donnerstag, 16. Ferbuar 2023
15:00 – 19:00 Uhr
…im Hauptgebäude der Feistritzwerke-STEWEAG Gmbh
Gartengasse 36, 8200 Gleisdorf

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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