Was es wiegt… #90: Bereichsübergreifendes III

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

[Vorlauf: Teil II] Gleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer sagte bei der Ergebnis-Präsentation zu unserem 3er-Tisch in Weiz etwas sehr Anregendes: „Heraus aus den Blasen und hinein ins reale Leben!“ Ich denke, diesem Appell für einen Neustart nach der Corona-Depression, für eine aktive Kulturpolitik, werden alle Beteiligten zustimmen können, egal, in welcher Formation sie engagiert sind.

(Foto: Nikola Milatovic)

Das korrespondiert übrigens mit dem Mission Statement von Landeskulturreferent Christoph Drexler, der zu Gesprächen und Diskussionen ohne Denkverbote einlud. Zitat: „Wir starten einen Prozess, um gemeinsam festzulegen, wie wir uns die kulturpolitische Ausrichtung der Steiermark für die Zukunft vorstellen. Mit vielen Gesprächen, Diskussionen und ohne Denkverbote. Ein Prozess, der die Vielfalt der steirischen Kulturlandschaft ganzheitlich betrachtet…“ [Quelle]

So wäre zu erwarten gewesen, daß der Weizer Tisch 3 zum Thema „Bereichs- und ressortübergreifendes Arbeiten“ auch tatsächlich ein erstes Abbild der regionalen Vielfalt zeigt und behandelt. Ganz so kam es nicht. Aber klar, zweieinhalb Stunden sind viel zu wenig Zeit, um das Thema auch nur annähernd auszuleuchten.

Ich hab in „Glosse #88: Vernetzung“ kurz skizziert, was sich regional bezüglich Vielfalt und Vernetzung schon in der alten Gutenberg-Galaxis getan hat, als es noch kein Internet gab und Bücher wie Zeitschriften unsere vorrangigen Medien waren, um Vernetzungsarbeit zu betreiben. (Plakate, Flugzettel, Dossiers, wir hatten auch allerhand andere Mittel genutzt.)

Sie sehen in diesem Ausschnitt aus meinem Archiv: das älteste Vernetzungsprojekt, von dem ich weiß, stammt aus dem Jahr 1985. Ein „Bezirkskultur-Wegweiser“. Das war übrigens die Zeit, als ich mir meinen ersten Computer kaufte, einen CPM-Rechner.

Ich gehöre zu den ersten Netzkultur-Akteuren Österreichs. Details dazu finden Sie im Text „Da gibt’s kein Dort“ (Über Veränderungen im Verhältnis von Zentrum und Provinz). Das ist deshalb von Relevanz, weil bei der Weizer Konferenz das Thema Vernetzung mit dem Bereich Neue Medien verknüpft wurde. (Heute reden wir da hauptsächlich von „Social Media“.)

Fatenträger aus den 1980ern: 3 Zoll

Ein Ergebnis des Weizer 3er-Tisches war die Idee, steiermarkweit eine Art „Kultur-Tinder“ einzuführen, um der Vernetzung von Kulturleuten voranzuhelfen. In der Ergebnispräsentation (Siehe Doku-Video!) wurde betont, es fehle uns eine nachhaltige digitale Plattform für Kulturschaffende, durch die sie vernetzt würden, „ein Modell wie Tinder oder so“.

Das führt leider in die Irre. In derlei Projekte, in webgestützte Kulturplattformen, wurden schon unzählige Budgets investiert, um verschiedene technische Lösungen zu realisieren. Haben solche Projekte wenigstens mittelfristig abgehoben? Nein! Auf meinem Kontinent gilt: Wenn ein Mittel zweifach nicht greift, wird das Zehnfache davon auch nicht greifen. Dann braucht es vielleicht eine neue Idee.

Das bedeutet aus meiner Sicht zweierlei. Erstens wäre auf der strukturellen Ebene eine technisch neuere Lösung fällig, die sich mit einer frischen konzeptuellen Idee verknüpfen und dann erproben läßt. Warum das? Weil wir aus den letzten Jahrzehnten der Netzkultur wissen, daß die Technik unsere Probleme nicht löst. Sie kann uns bloß taugliche Werkzeuge liefern, falls wir gute Ideen und kraftvolle Intentionen haben.

Daher braucht es zweitens einen neuen Arbeitsansatz zur Vernetzung, womit ich meine, es muß im Know how- und Ethos-Bereich einen Innovationsschritt geben. Ich bin überzeugt, wir brauchen kein „Kultur-Tinder“, sondern einen Kategoriensprung in Sachen Medienkompetenz, gestützt auf eine Technologie, die neue Verfahrensweisen ermöglicht.

Gibt es solche Technologie? Mich fragt ja keiner. (Natürlich gibt es die!) Mit „Kultur-Tinder“ würden wir bloß etwas aufwärmen, von dem noch Restbestände herumliegen. Das hat alles schon einmal viel Geld gekostet und wenig gebracht.

Warum meine ich, daß ich es in diesem Fall besser weiß? Ich habe Österreichs Netzkultur-Entwicklung von den ersten Tagen an miterlebt. Und das in der Verzahnung mit regionaler Wissens- und Kulturarbeit; in Theorie und Praxis. Deshalb weiß ich zumindest, was wir hinter uns lassen können, weil es x-mal erprobt wurde. Die Effekte sind evident.

Was der alte Modus leistet, hat etwa Geschäftsfrau Michaela Zingerle dank öffentlicher Gelder erkundet. Sowas muß nicht erst erfunden werden, es ist schon da und seit Jahren online. Zitat: „Kunstsektor verbindet zeitgenössische Kunst und Kultur im Alpe Adria Raum und ist darüber hinaus ein Tool zur Suche nach KooperationspartnerInnen für grenzüberschreitende Kulturprojekte.“ Voila! Kunstsektor! [Link]

Was noch zu sagen wäre: Ich denke, die Zukunft wartet nicht!

— [Das Weizer Panel] —
— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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