Waffel V

[Vorlauf] Die Initiative Wake Up Gleisdorf hat eben auf dem umstrittenen Grundstück über der Schießstattgasse eine Menschenkette gebildet, um ihre Einwände gegen die Rodung des Waldes und die Bebauung des Areals auszudrücken.

Monika Lafer: Natur und Vielfalt, 2021

Dazu paßt ein Statement von Aktivistin Gabi Troester auf Facebook. Sie zitiert Florian Klenk im Zusammenhang mit dem Film „Der Bauer und der Bobo“ folgendermaßen: „‘Denn es gibt keine kleinen Leute, es gibt nur eine Gesellschaft, der wir alle angehören‘ – welch schöne Formulierung! Danke für diesen Film! Er lässt meinen ‚Möglichkeitssinn‘ wachsen!“

Die Metapher „Kleine Leute“ ist so aufschlußreich wie anregend. Wer wachsen möchte, muß sich aufrichten. Wenn das politische Relevanz erlangen soll, hat das mit Selbstermächtigung zu tun. Übrigens eher nicht auf die Art, wie ich sie seit Monaten durch die „Neigungsgruppe Spazierengehn“ erlebe, die in Gleisdorfs Straßen herumbrüllt, unrealistische Forderungen raushaut, aber kein strategisches Handeln erkennen läßt, keine konkreten Umsetzungsschritte zeigt.

Einfach nur herumbrülle, das ist ein Teenager-Modus, eine pubertäre Pose, mit der jeder erfahrene Politiker locker fertig werden sollte. Apropos Politik! Ich erinnere gerne daran, was Europas Kultur- und Geistesgeschichte hervorgebracht hat. Eine Politik, die nur von Leuten mit politischem Mandat ausgeführt wird, ist keine.

Politik, das heißt: Staatskunst und Gemeinwesen interagieren, kooperieren. Konkret: Erst im Zusammenwirken von Funktionstragenden der Politik und Leuten der Zivilgesellschaft wird es Politik. Vorher ist es bloß Funktionsärswesen mit Unterstützung durch die Verwaltung, die leicht zu einer drückenden Bürokratie wird; wenn die Zivilgesellschaft nicht ausreichend aktiv an der Politik mitarbeitet.

Ich hab in der Glosse „Waffel IV“ schon betont: In einer Kontroverse muß ich genau sein, sonst verkommt sie zum Gezänk. Als auf dem Gleisdorfer Florianiplatz der Maibaum aufgestellt wurde, nutzte ich die Gelegenheit, zwei Stadtpolitiker (Stark und Weber) nach Details zu fragen, die ich auch schriftlich vorliegen hab.

Monika Lafer: Schatzlageplan. Noch ist nichts passiert…, 2021

Wesentliche Punkte
+) Die Widmungsentscheidung im Jahr 2018 war einstimmig.
+) „Wake Up Gleisdorf“ erwirkte eine neuerliche Bewertung des Grundstücks durch die Forstbehörde.
+) Die Forstbehörde in der BH Weiz erteilte inzwischen eine Rodungsbewilligung.
+) Fachfrau Gerlind Weber empfahl bei ihrem Vortrag, von der Rodung Abstand zu nehmen. Das hat aber rechtlich noch kein Gewicht.
+) Weber: „Die Möglichkeit eines Einspruchs beim Landesverwaltungsgerichtshof besteht für die unmittelbaren Anrainer.“
+) Ich denke, das nennt man Parteienstellung, was Rechtsverbindlichkeit hat.
+) Wer sonst noch in der Sache mitreden will, tut das auf eigene Verantwortung, notfalls auf eigene Kasse.

Ich hab in der vorigen Glosse notiert: „Wenn die rechtmäßige Eigentümerin des Grundstückes (ÖWG) ein rechtskonformes Bauvorhaben einreicht, muß die Behörde zustimmen. Es wäre andernfalls von Amtsmißbrauch zu reden.“

Das hat mir Bürgermeister Christoph Stark bestätigt: „Einigen Mandataren ist auch die Farbe aus dem Gesicht gefallen, als ich ihnen erklärt hatte, dass es bis zur Organhaftung ginge, wenn sich die Gemeinde im Rodungsverfahren für den Walderhalt ausgesprochen hätte. Und Organhaftung heißt, den Schaden aus eigener Tasche bezahlen.“

Ich fasse zusammen: Wenn die Umwidmung rechtskonform lief und nicht anfechtbar ist, wenn die neue Grundstückseignerin ÖWG ein rechtskonformes Projekt einreicht, muß die Behörde das genehmigen. Sonst wäre eine Pflichtverletzung gegeben, für die nicht einfach die Stadt haftet. Da haften die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker persönlich mit ihrem Privatvermögen.

Hätten wir jetzt geklärt, womit es eine Initiative zu tun bekommt, falls sie dieses Vorhaben verhindern möchte? Das kann man machen, kann für seine Überzeugung einstehen. Und zwar mit genau der persönlichen Haftung, die das politische Personal in dieser Sache an manchen Stellen akzeptieren muß. So geht ziviler Ungehorsam, der in manchen Fällen unverzichtbar sein mag, um unsere Zukunftsfähigkeit zu stärken. Doch das bedeutet: individuell Verantwortung übernehmen.

Konnte ich jetzt deutlich machen, was ich mit meinem „In einer Kontroverse muß ich genau sein…“ gemeint habe? Es könnte sein, daß in dieser Angelegenheit die allgemein beliebte Befindlichkeitsprosa kein probates Mittel ist, sich aus der Pose der „Kleinen Leute“ zu erheben und in der regionalen Politik mitzuwirken, also auch für die Demokratie einzustehen. [Fortsetzung]

Postskriptum
Die Bilder stammen von Monika Lafers Projekt „Sicherungskopie“ im Gleisdorfer Zeit.Raum, angeregt durch die Befassung mit dem umstruttenen Areal: [Link]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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