In die 20 Jahre Projektlaufzeit fallen Veränderungsschübe in einem Ausmaß, das ich völlig unterschätzt hab. Der Rückblick macht dieses Crescendo an Neuigkeiten und Schwierigkeiten ganz gut erkennbar. Ab 2010 veränderte sich die sogenannte Initiativen-Szene, weil sich ihre Rahmenbedingungen völlig verschoben haben.
Das geschah vor dem Hintergrund von Big Data und der sich setzenden Vierten Industriellen Revolution in einer Welt voller Unruhe-Herde, von Klimafragen bis zu Flüchtlingsbewegungen. Bis 2015 konnten versierte Leute die Effekte im Kulturbetrieb bei Bedarf noch einigermaßen ignorieren.
Es lief zwar längst ein zunehmend hartes Wettrennen um verbleibende Ressourcen, aber in diesem wohlhabenden Land konnte man die Krisen-Welle einige Zeit ganz gut surfen, wenn man in der Akquise erfahren und überdies adäquat vernetzt war. (Solidarität unter Kunst- und Kulturschaffenden? Hab ich nicht gesehen.)
2000 bis 2010
+) Was wir eben noch Medienkonvergenz nannten, verbreitete sich über preiswerte Internetzugänge in Österreichs Haushalten. Es entstand unter anderem das, was wir heute Social Media nennen; ein milliardenschweres Konglomerat von Geschäftsmodellen.
+) Big Data und die Vierte Industrielle Revolution sowie das Internet der Dinge wurden erfahrbar.
+) Amerikanische Geschäftsleute und politische Kräfte der USA lösten 2008/2009 eine Weltwirtschaftskrise aus (Immobilienblase, Bankencrash), die uns spätestens 2010 spürbar erwischt hat.
+) In der Steiermark wurde eine Serie von Reformschritten gestartet, die einen wesentlichen Fokus haben: Sparmaßnahmen. (Vom Doppelbudget bis zu Gemeindezusammenlegungen.)
Defizite
Das Land und die Kommunen blieben uns mindestens in meinen Erfahrungsbereichen eine Kulturpolitik auf der Höhe der Zeit schuldig. Von uns primären Kräften wurde das aber weitgehend hingenommen. Einen relevanten kulturpolitischen Diskurs habe ich vermißt und kann ihn im Rückblick nicht finden.
Meine Erfahrungsbereiche, das meint: die Landesebene, der Blick auf Graz, die Praxis in der Oststeiermark. Von 2015 bis 2020 stellte ich einen Radikalisierungsprozeß fest. Im Rennen um Ressourcen wurden teilweise Kulturbudgets gekapert, die dann ganz anderen Zwecken dienen mußten. Unter diesem steigenden Druck haben auch viele von uns primären Kräften ihr Verhalten geändert, Strategien zum Selbsterhalt entwickelt, mit verdeckten Intentionen agiert.
Damit veränderte sich dieses Milieu. Ich hatte im Sommer 2021 eine „Kulturpolitische Agonie“ konstatiert: [Link] Das war schon während der gesamten Corona-Pandemie erfahrbar geworden. Ich sollte schließlich noch erleben, daß einem offene Kritik eine Klagsdrohung wegen Rufschädigung einbringen kann. (Dazu später!)
Neue Schritte?
Land und Bund waren in kulturpolitischen Fragen mittlerweile aktiv geworden. Im Oktober 2021 notierte ich: „Bundesministerium für Kunst, Kultur öffentlichen Dienst und Sport, Sektion IV: Kunst und Kultur, Team Strategie Kunst Kultur 22“. Der Job: „Kick-Off zur Kunst- und Kulturstrategie 22“. (Man wollte mich noch weiter informieren.)
Damals habe ich auch eine diesbezügliche Initiative des steirischen Landeskulturreferenten Christopher Drexler erwähnt: [Quelle] Zusammengefaßt: ich weiß aber bis heute gar nichts, hab auch keinerlei weitere Informationen erhalten. Falls es diese Diskurse gibt, sind sie keine öffentlichen Diskurse.
Skepsis ist empfohlen
Es läßt sich also nicht gut an, während ich in den Medien schon lesen kann, wie vorzüglich da angeblich gearbeitet wird. Und was die oben erwähnte Klagsdrohung angeht, sie betraf zwei Passagen in zwei meiner kritischen Glossen, die hier unter „Was es wiegt, das hat’s“ zusammengefaßt sind.
Ein sehr aktives Kultur-Duo, die Landesbedienstete Sandra Kocuvan (Kulturabteilung) und die Unternehmerin Michaela Zingerle (Kulturmanagement), sie ist zugleich Kulturgewerkschafterin, nämlich ein Vorstandsmitglied der IG Kultur Steiermark, beauftragten den Anwalt Rainer Beck, mir eine Klagsdrohung zu schicken.
Ich hätte, so heißt es in dem Schreiben, das mit einer erheblichen Geldforderung verbunden wurde, „rufschädigende und ehrverletzende unrichtige Behauptungen“ publiziert. Ergo: zwischen 2015 und 2020 ist das Klima sehr viel rauher geworden.
— [20 Jahre] —