Reden wir über China!
Von Franz Ablinger
Weil es gerade wieder diskutiert wird: China hat 2018 einen 15-Jahres-Plan aufgesetzt, in puncto Normen bis 2035 die Nummer 1 weltweit zu werden. Der Unterschied zum Westen: das Vorhaben ist zentral gesteuert, hat also wie in allen anderen Bereichen auch eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit der vollständigen Umsetzung.
Sollte das geschehen, müssen wir uns in Europa (und den USA) wirklich warm anziehen, weil Normen sind die letzte Barriere. Beispiel: 2003 versuchte China, den deutlich sichereren WAPI-Standard zu etablieren. Der westliche Wi-Fi-Standard hat sich durchgesetzt, China kübelte sein Projekt. China empfand das als Schmach, die es zu tilgen gelte.
Bald könnten sie Standards für autonome Fahrzeuge, für Echtzeit-Telekommunikation und für artificial intelligence vorgeben – und wir müssten alle unsere Projekte abschreiben und uns der geltenden weltweiten (und dann chinesischen) Norm unterordnen. In China sieht das so aus: Die proprietären Details sind nicht zugänglich und werden nur über autorisierte chinesische Unternehmen zugänglich, mit denen man kooperieren muss, etwa Lenovo, Huawei oder Chinas vier Telekomfirmen.
Diese lassen einen nicht an die Technologie, sondern analysieren deine Implementierung und passen sie an ihre Lösung an, ohne dass du ihre Lösung auch nur zu Gesicht bekommst. Somit werden alle ausländischen Lösungen den chinesischen untergeordnet. Tust du es nicht, kommst du nicht an für die Umsetzung notwendige Ressourcen und kannst dein Projekt einstampfen.
Teil II
Ich sehe immer noch genügend Entwickler unserer hochinnovativen europäischen Firmen, die einfach bei Alibaba einkaufen und sich Material aus China schicken lassen, ohne nachzudenken. Es gäbe ja genügend shops, die anbieten. Konkurrenz ist hoch. Wieso sollte diese Quelle versiegen?
Man könnte sich das so vorstellen: was passiert, wenn man von Amazon ausgesperrt wird? Nein, nicht nur Alexa schweigt und das Klopapier muss man selbst vom Rewe nach Hause tragen. Auch alle Filme sind weg und die Gebrauchthändler sind auch nicht mehr zugänglich… Alibaba ist auch so ein Torwächter. Und er steht unter 100% staatlicher Kontrolle. So wie es sich China leisten kann, machen sie die Mühle zu – aus übergeordneten staatlichen Interessen.
Wir müssen europäische Alternativen zu allen Halbfertig-Produkten aufbauen. Eine eigene Chipindustrie, Plastik-, Metall- und Feinwerktechnik muss wieder her. Wir haben alles nach China ausgelagert, weil es dort deutlich billiger zu haben war. Und haben das gesamte Know-How gleich dorthin mit verschoben und haben somit keine Arbeitskräfte mehr, die die Fertigung beherrschen… Noch haben wir alte Bücher.
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+) Die Betrachtungen im Überblick
Postskriptum
Siehe dazu auch: „Wie China mit einem 15-Jahres-Plan die Standards der weltweiten Tech-Branche setzen will“ von Tristan Fiedler [Quelle]
Der Autor
Franz Ablinger ist das technische Chef-Orakel des Kollektivs „monochrom“ und im Nachdenken über die Welt einfach nicht zu bremsen. [Link] Siehe zu Ablinger hier auch: „Ein Leben als Bohemien?“
Kontext China
Das Statement von Franz Ablinger präzisiert, was ich jüngst nur anreißen konnte. Ich hab in meinen „Gleisdorf: Betrachtungen #18“ das Gespräch mit einem fröhlichen Antisemiten erwähnt und die Glosse folgendermaßen enden lassen… „Stimmt!“ sagte der Mann und ergänzte: „Ich hab gar nicht gewußt, daß es chinesische Juden gibt.“ „Die gibt es auch nicht“, erwiderte ich, „aber nach deiner Wirtschaftstheorie, müßte es sie geben.“ Ich blieb mit dem Gefühl zurück, daß ich die Pointe nicht ordentlich rübergebracht hab. [Quelle]