(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Als ich mit Musiker Oliver Mally augenzwinkernd die Origami Ninja Association formiert hatte, ich nannte das einen Pas de deux, ging am 11. März 2021 das erste Mission Statement online. Darin hieß es unter anderem: „Was immer wir tun, es kann schon tags darauf verworfen sein, weil sich die Bedingungen geändert haben. Wie soll man so arbeiten? Genau so läuft das eben und entweder wir bleiben in Bewegung oder wir saufen ab. Es ist so simpel und banal. Wie sang his Bobness? „You better start swimming or you‘ll sink like a stone.“ (Verflixt! Ich denke manchmal schon in Popkultur-Zitaten.)“ [Quelle]
Für Montag, den 15. März 2021, hatte ich um 19:00 Uhr meine Jubiläums-Teledrink-Session angesetzt: Ein Jahr Lockdown. Auf das Leben, auf die Poesie! [Quelle] Was ich dann via Facebook eine Weile zur Diskussion gestellt hab, betraf unter anderem zwei wesentliche Themen.
Ich hab erstens behauptet, die Annahme einer „Initiativen-Szene“ sei mehr Mythos als Realität. Ich sollte das wissen, weil ich von Beginn an Teil der Entwicklung dieses damals neuen soziokulturellen Phänomens war. (Das meint eine Ära ab 1975, also demnächst ein Zeitfenster von 50 Jahren.)
Ich hab zweitens behauptet, Solidarität sei in unserem Milieu mehr Mythos als Realität. Eine Duftmarke. Ein Werbespruch, um für unser Feld eine Unique Selling Proposition zu konstruieren. Das ergab gleich einige Widersprüche. Also bat ich um Belege. Es fanden sich keine Belege, außer einigen Beispielen von zeitlich und thematisch beschränkten Akten des Zusammenschlusses weniger Leute.
Dagegen kenne ich seit Jahrzehnten diese Tendenzen zum Zwist. Herbert Nichols-Schweiger faßte das Problem in einem unserer Gespräch einmal so zusammen: „Zwerge bekämpfen Zwerge.“ Nichols ist ein profunde Kenner des steirischen Kulturbetriebs. Er hat 1977 mit dem damaligen Finanz-Landesrat Christoph Klauser die SPÖ-nahe GKP gegründet, die Gesellschaft für Kulturpolitik, und war bis 2017 deren Geschäftsführer.
Was er in diesem einen Satz über die streitenden Zwergen sagte, kann ich so präzisieren: Oft sind inhaltlich hervorragende Projekte den Bach runtergegangen, weil sich Projektleute um Geld und um Sichtbarkeit sowie Prestige stritten. Wir haben es in unserem Milieu über das halbe Jahrhundert hinweg nicht geschafft, Ehrenamt und Hauptamt konsequent zu verzahnen, diese effiziente Verbindung von bezahlter und unbezahlter Arbeit allgemein zu etablieren.
Was die andere Problemquelle angeht, zitiere ich stets den Soziologen Gunnar Heinsohn: „Um Brot wird gebettelt, um Rang wird geschossen.“ Was möglichen Prestigegewinn angeht, unterscheidet sich mein Milieu in einzelnen Fällen überhaupt nicht von den kaltblütigen Soziopathen, die man in Spitzenpositionen der Wirtschaft finden kann. (Was diesbezüglich die Politik angeht, mag ich mir eine spezielle Erwähnung während der aktuellen Regierungskrise schenken.)
Also: wir sind keine „Szene“! So ein auch nur halbwegs stabiles Wir gibt es nicht, hab ich in fast 50 Jahren nie kennengelernt. (Wohl aber sah ich allerhand Interessengemeinschaften, die hielten, solange Budgets verfügbar waren.) Solidarität ist nur ein Wort, als gelebte Praxis bloß kurzlebige Ausnahme.
In meinem etwas operettenhaften Österreich wird eine bewährte Seilschaft gerne als Beispiel gelebter Solidarität verstanden, selbst wenn sich eine derartige Formation bei genauerem Hinschauen eher als Kumpanei erweist. Wenn ich also nun schon geraume Zeit „Für eine nächste Kulturpolitik“ eintrete, dann unter anderem, weil wir unsere Begriffe überprüfen müssen, um aktuell zu klären, welches Bezeichnete hier mit welchem Bezeichnenden verknüpft wurde. Genau! Wir haben unter anderem ein großes semantisches Problem.
— [The Long Distance Howl] —
Kulturpolitische Glossen
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