Was es wiegt, das hat’s XXII: Kommunale Kulturpolitik III

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

In einer perfekten Welt gäbe es ein idealtypisches Gleisdorf, das ein paar kulturpolitische Besonderheiten aufweisen würde. Vor allem wäre der Kulturreferent ein Anwalt des geistigen Lebens und würde für die Schätze der Stadt sorgen wie für ein Glashaus voller Orchideen.

Ein komplexes Thema, das ihm keine Zeit ließe, dem Stadtmarketing zuzuarbeiten. Es liefe geradezu umgekehrt. Das Marketing-Büro würde mit Verve die Qualitäten und Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt promoten, das kulturelle Engagement der Leute begleiten und verstärken.

Dazu hätte der Kulturreferent – im Einklang mit dem Bürgermeister – geklärt, daß die Stadt über wenigstens drei wichtige Quellen dieser Qualitäten verfügt, die von der Kommune Rückhalt erfahren. Einrichtungen der Stadt, Traditions-Initiativen mit größerem Aufwand und überdies privates Engagement in kleineren Gruppen oder durch Einzelpersonen. (Da will Jahr für Jahr harmonisierend gewirkt werden.)

Die Stadt ist keine Firma
Aber weder ist die Stadt eine Firma, die alle Menschen Richtung Corporate Identity drängt, noch ein Fußballklub, wo alle die gleichen Trikots mit dem Vereins-Logo verpaßt bekommen. Der Kulturreferent wüßte die Vielfalt als Wert zu verstehen und würde das mit seiner Arbeit honorieren, ohne das über einen Leisten schlagen zu wollen.

Genau deshalb gefiele es der Politik, Jahr für Jahr ein kulturpolitisches Arbeitspapier auszugeben, das transparent macht, welche Themen gerade bevorzugt und wie die verfügbaren Mittel eingesetzt würden. Das wäre alljährlich das Ergebnis einiger Kulturkonferenzen, einerseits mit dem Kulturausschuß der Kommune, andrerseits mit der zivilgesellschaftlichen Basis der Stadt, überdies mit Amtskolleginnen und -kollegen der „Acht Städte-Partnerschaft“ der Oststeiermark.

So wüßte der Kulturreferent auch über die Themenschwerpunkte anderer regionaler Zentren nötige Details und könnte Synergie-Ideen entwickeln, die in den oben erwähnten Konferenzen angeboten würden.

Im Sinn kluger Nutzung vorhandener Ressourcen in schwierigen Zeiten wären auf dieser Ebene andere Instanzen von Politik und Verwaltung ebenso gebeten, etwas einzubringen, etwa die LEADER-Region etc.

Synergieeffekte
Synergieeffekte als Antwort auf Ressourcenverknappung müßten freilich von der Kommune vorgelebt werden, um den Kulturschaffenden zu verdeutlichen: Synergie heißt nicht, andere und deren Arbeit zu vereinnahmen, sondern Modi zu entwickeln, die für ausnahmslos alle Beteiligten einen Mehrwert schaffen.

Der Kulturreferent wüßte allerdings, daß er oft quasi als Dolmetscher gebraucht wird, weil a) Politik, b) Veraltung und c) zivilgesellschaftliches Engagement auf höchst unterschiedliche Arten kommunizieren; unter anderem, weil sie andere Agenda und Prioritäten abarbeiten. Das fördert naturgemäß allerhand Kulturschock-Momente und Mißverständnisse.

Der Kulturreferent würde einen Teil seiner Kräfte darauf verwenden, zwischen diesen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, damit sich vorhandenen Kräfte gut entfalten können. Das wäre nicht allein zu schaffen, aber dieses Thema ist für Erfahrungen gut, die auch in den anderen Ressorts der Kommune Gewicht und Nutzen haben.

Da könnte hausintern viel erreicht werden. Der Kulturreferent sähe – Hand in Hand mit dem Bürgermeister – eine wichtige Aufgabe darin, Bedienstete der Stadt wie Privatpersonen gleichermaßen in ihrem Engagement zu bestärken und deren Aktivitäten auf eine Art zu begleiten, zu unterstützen, die das Engagement der Menschen festigt. Wie das geht?

Höchstmaß an Eigenverantwortung
Man bietet den im Gemeinwesen aktiven Menschen einen passenden Rahmen für ein Höchstmaß an Eigenverantwortung. Man wirkt koordinierend, so daß die einzelnen Formationen zueinander komplementär wirken, statt sich zu konkurrenzieren. Man achtet darauf, daß das Rathaus selbst die Bürgerbeteiligung nicht konkurrenziert, daß die Politik klar macht: Konsumation gehört zwar zum Kulturbetrieb, aber wir kümmern uns verstärkt um Modi der Partizipation!

Hier hat das Marketing keinerlei Programmfunktion, sondern bearbeitet vorrangig seine grundlegenden Aufgaben, was dann ohnehin guten Stoff für die PR-Arbeit der Stadt generiert.

Dort wirkt das Citymanagement, gemäß seinen ursprünglichen Agenda, statt sich selbst als Quasi-Intendanz des Kulturgeschehens ins Rampenlicht zu rücken. (Wie schon angedeutet: die Verwaltung steht hinter der Politik, nicht vor ihr.)

In der Politik wüßte man, daß jegliche Bürgerbeteiligung zu erlahmen beginnt, wenn die Kommune zu stark lenkend eingreift. Das heißt, Bürgermeister und Kulturreferent wüßten um die massive Tendenz der Menschen, die Gemeinden allerorts als Serviceeinrichtungen zu verstehen, statt sich in der Freizeit aktiv einzubringen. (Selbst die Freiwille Feuerwehr verzeichnet einen wachsenden Mangel an Menschen, die sich für das Gemeinwesen engagieren.)

Wird das soziokulturelle Potential einer Stadt verwaltet, dirigiert und dem Marketing untergeordnet, erlischt es in weiten Bereichen. Das macht politische Arbeit gewiß leichter, aber sinnlos. (Fortsetzung)

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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