Tropfen und Flügel
Die Stromlinie ist ein bedeutender kultureller Code, der seine Wurzeln in der Physik hat und uns über die Entwicklung von Fahrzeugen für den Boden und die Lüfte vertraut wurde. Mit Schiffen verhält es sich ähnlich. Muß auf dem Lande und darüber die Luft durchschnitten werden, so ist es dort das Wasser.
Beide Elemente haben tragende wie hemmende Eigenschaften. Es geht um Strömung und Wirbel. Spätestens ab 1933 gab es einen enormen Schub in der Anwendung aerodynamischer Prinzipien auf den Automobilbau. Darum hier ein paar Blicke auf die Vorgeschichte.
In der Ballonfahrerei wurde seit der Brüder Montgolfier (18. Jahrhundert) vieles an Formen der Flugkörper erprobt. Die Kugel blieb das Dominate Konzept; auch wenn uns zahlreiche Abbildungen eine Art stehenden Tropfen zeigen.
Der Ballon wird gesteuert, indem man die Flughöhe reguliert, um eine gewünschte Windrichtung zu nutzen. Als sich später lenkbare Luftschiffe bewährten, die motorisiert wurden, entfaltete sich ebenfalls eine große Formenvielfalt.
Doch das wesentliche Grundmotiv blieb die Zigarre, wahlweise der Torpedo, also eine Zylinderform mit runden oder spitzen Enden. Das setzten auch die Renner-Buben mit ihrem Estaric I um.
Wenn Wasser vom Himmel fällt, kommt es auf seinem Weg durch die Atmosphäre allerdings in eine Tropfenform, also die Kugel streckt sich. Damit offenbart sich der optimal gestaltete Körper im Durchtauchen von Luftwiderstand.
Luftwiderstand ist übrigens auch bei Landfahrzeugen ein enormer Energiefresser (neben dem Rollwiderstand der Reifen). Daher wurden Zylinder (Torpedo) und Tropfen wichtige Formvarianten, als schnellere Luftfahrzeuge entstanden, als das mögliche Tempo von Landfahrzeugen Sprünge machte.
Dabei entdeckten die Tüftler einen fundmentalen Effekt, der wirksam wird, wenn man den Tropfen an einer Seite abflacht. Dadurch entsteht das, was heute Tragflächenprofil heißt. Ein simples Profil dieser Art sieht wie ein halbierter Tropfen aus. Anfangs waren das einfach geschwungene Flächen.
Wo die Luft den kürzeren Weg entlangströmt, entsteht Druck. Am längeren Weg über die gleiche Fläche entsteh Sog. Das ergibt an Flugzeugflügeln den Auftrieb. Dreht man den Flügel um, wird daraus ein Spoiler für Sport- und Rennwagen. Bei ausreichender Geschwindigkeit erhöht so ein Profil über den Abtrieb (Downforce) die Bodenhaftung der Reifen, wozu man freilich genug Motorkraft braucht.
In der Luft ergibt sich in der Frage ein Unterschied zwischen aerodynamischem Fliegen und ballistischem Fliegen. Zum aerodynamischen Fliegen braucht es Tragflächen, damit die Luftströmung den nötigen Auftrieb erzeugen kann. Die Luft trägt das Gerät.
Beim ballistischen Fliegen braucht es ausreichend Schubkraft, um den Flugkörper durch die Gegend zu Schmeißen. (Z. B. eine Gewehrkugel oder eine Rakete.) Er durchschneidet quasi die Luft und fällt runter, wenn der Schub aussetzt, während man beim aerodynamischen Fliegen die Chance hat, auch ohne Motorkraft in einem Gleitflug heil vom Himmel zu kommen.
Daher braucht man im Weltraum keine Tragflächen, denn dort ist keine Luft, weshalb man übrigens auch – anders als in den meisten Science Fiction-Filmen – mangels Atmosphäre nichts hört. Keine Triebwerks- und Waffengeräusche, gar nichts. [Vorlauf] [Fortsetzung]