Nun der vorletzte Projekttag und das Ende des 2017er Jahres. Dieses LEADER Kulturprojekt mit dem Titel „Vom Pferd zum Sattelschlepper“ war zu einem erheblichen Teil von Recherchen geprägt, die der Gegenwart gewidmet wurden, aber dann auch sehr wesentlich die letzten 200 Jahre betroffen haben. Dazu hier ein spezielles Detail.
Die Österreichische Nationalbibliothek hält einen Bestand des Londoner Fachblattes „The Mechanics Magazine“, welches mir im Zeitfenster zwischen 1823 bis 1871 zugänglich ist. Das beginnt also wenige Jahre, nachdem Erzherzog Johann von Österreich den Techniker James Watt besucht hat (1815/16) und sich von ihm die optimierten Dampfmaschinen zeigen ließ.
Das reicht bis in die 1870er Jahre, als sich auf dem Fahrradsektor gerade das „Safety“ durchsetzte, das sogenannte Niederrad oder Sicherheitsrad. Daraus entstand eine Revolution der individuellen Mobilität und bildeten sich erste Grundlagen des modernen Automobilbaus (Voiturettes) heraus.
In den frühen Ausgaben des Magazins findet man auf unzähligen Covers Gedichte. Ich war davon ziemlich überrascht. Es ist berührend zu sehen, mit welchen Erwartungen und Wünschen die Leute damals in die Erste Industrielle Revolution hineingingen.
Es erstaunt mich, daß dieser lyrisch gefaßte Enthusiasmus den Handwerkern vorgetragen wurde. Ich will mich als Übersetzer eines Beispiels versuchen:
Komm, glänzender Aufschwung! auf dem Ruder der Zeit
Und beherrsche die geräumige Welt von Klima zu Klima;
Deine Handwerkskünste sollen jede Wildnis erforschen,
Jede Welle verfolgen und jedes Ufer kultivieren.
Das läßt sich freilich auf zwei Arten lesen. Es erscheint erst einmal als eine poetische Huldigung der Technik, die den Menschen das Leben leichter machen und den Wohlstabnd wie auch die Kultur weiterbringen soll. Da schimmert aber genauso jener technologische Vorsprung durch, mit dem vor allem europäische Kräfte die Welt kolonialisiert und anderen Völkern großes Unglück gebracht haben.
Wir sind aus solchen Debatten nicht entlassen: Segen und Fluch der von uns erschaffenen Werkzeuge. Gothe formulierte das in „Der Zauberlehrling“ so, da der Jüngling einen Besen verhext und zum Wasserholen befohlen hat, was völlig außer Kontrolle gerät: „Und sie laufen! / Naß und nässer. / Wirds im Saal und auf den Stufen. / Welch entsetzliches Gewässer! / Herr und Meister! hör mich rufen! – / Ach, da kommt der Meister! / Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister / Werd ich nun nicht los.“
Der österreichische Philosoph Günther Anders nannte dieses Verhältnis zwischen Menschen und Werkzeugen „Prometheische Scham“. Der Begriff ist von Prometheus hergeleitet, der in unserer antiken Mythologie als Begründer der Technik gilt. Günther Anders kritisierte, daß wir Werkzeuge erschaffen, denen wir schließlich unterlegen sind und die Systeme bilden, welche unsere Auffassungsgabe überfordern.
Der Rückblick auf das Projekt zeigt nun, es war eigentlich eine Situation „Zwischen Pferd und Sattelschlepper“ zu erkunden. Da haben wir nun also im Denkraum „Dorf 4.0“ eine interessante Basis, um für die kommenden Jahre Klarheit zu finden, welche kulturpolitischen Schritte und kulturellen Projekte dieser Zeit und dieser Situation angemessen sind, nämlich als eine kollektive Wissens- und Kulturarbeit abseits des Landeszentrums.
— [Projektabschluß] —