Industrie 4.0: Internet der Dinge

Daten sammeln und austauschen. Das Thema ist uns seit der Ära Metternich vertraut. Allerdings brauchte der Kanzler dazu eine Armee von diensteifrigen Spitzeln. Später hatten die Nazi-Barbaren unsere Leute dazu bewegen können, sich privat und ganz ohne formellen Auftrag im Ausforschen und Denunzieren von Mitmenschen hervorzutun.

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Die Tyrannis ist offenbar geeignet, in uns schäbigste Seiten zum Klingen zu bringen. Das wird sich vermutlich nicht ändern, wenn Maschinensysteme das Ausforschen von Menschen zunehmend erledigen. Mit dem Internet der Dinge (IoT: Internet of Things) sind wir auf dem Weg in ganz neue Dimensionen der Nachvollziehbarkeit, was im Privatleben von Menschen vorgeht.

Fürst Metternich war übrigens eine maßgebliche Kraft im Wiener Kongreß, mit dem Europa neu geordnet wurde, nachdem Napoleon sich im Erschüttern des Kontinents erschöpft hatte. Dieser Kongreß fand von 1814 bis 1815 statt.

Ich habe diesen Zeitraum schon öfter betont: 1814, 1914, 2014. Vom Wiener Kongreß zum Großen Krieg, von da weiter zum wankenden EU-Europa nach dem Berliner Mauerfall.

Es ist ein Leben in zweihundert Jahren permanenter technischer Revolution und es inkludiert die Pfade von Verdun über Auschwitz nach Srebrenica.

Das IoT wirft derzeit viele Fragen auf, die in meiner Umgebung auffallend nicht gestellt werden. Sanjay Sarma unterstreicht die wachsenden Sicherheitsprobleme. Als „vice president for open learning, dean of digital learning“ am MIT befaßt er sich unter anderem mit den Überlegungen zu unseren Verhaltensoptionen gegenüber dieser maschinengestützten Info-Sphäre, in der Dinge und Lebewesen gechipt werden, um sich im Alltag ohne unser bewußtes Zutun auszutauschen.

Es mangelt, laut Sarma, noch rundum an verbindlichen und verbindenden Standards: “The IoT’s underlying challenge is that there are no clear and agreed-upon architectures for building connected systems.” [Quelle]

Schraube mit Transponder

Schraube mit Transponder = „Transmitter/Responder“ (Foto: CC by Sraleppal)

Man muß sich bloß in der Autoindustrie umsehen, wie heftig da an kommenden Standards gearbeitet wird, auf daß Systeme miteinander problemlos kommunizieren können.

Gerade die „Sozialen Netze“, das gesamte Web 2.0, haben uns vor Augen geführt, wie bereitwillig Menschen ihr Privatleben publizieren, um diese oder jene Geselligkeit zu erleben. Zu dieser Welt der Unterhaltung entfaltete sich die Welt der über RFID-Technik vernetzten Dinge und Lebewesen.

Diese Art der „radio-frequency identification“ führte laut Sarma inzwischen zu “the current number of connected devices at about 15 billion, amidst industry expectations that the tally will increase to 50 billion by 2020”.

Derzeit sind also rund 15 Milliarden Einheiten (Dinge und Lebewesen) per RFID vernetzt. In wenigen Jahren rechnet man mit 50 Milliarden. Das spinnt uns Menschen ein wie in einen Kokon von miteinander maschinell kommunizierenden Dingen.

Es herrscht in den meisten Debatten Konsens, daß sich diese Entwicklung nicht stoppen läßt. Sarma: „The IoT is ultimately bound to affect almost every aspect of daily life. In fact, I encourage you to try to figure out where the IoT will not be.”

Das trifft meinen Geschmack. Genau da sehe ich auch die Ansätze für unsere Wissens- und Kulturarbeit, die sich nicht an feuchte Träume von Maschinenstürmern vergeuden sollte.

Logistik-Roboter in der Gleisdorfer Stadtapotheke

Logistik-Roboter in der Gleisdorfer Stadtapotheke

Wir haben in den schon erwähnten zweihundert Jahren permanenter technischer Revolution mehr als deutlich erlebt, daß ein Großteil der Menschen sogar horrende Nachteile in Kauf nimmt, um einige Vorteile neuer Technologien zu genießen.

Deshalb meine ich, wir sollten in wachsender Sachkenntnis einer vielfältig besetzten Community Kulturschaffender Nischen besetzen, sichern und ausbauen, in denen an solchen Themen gearbeitet wird.

Politik und Wirtschaft zeigen mir solche Ambitionen bisher noch nicht, bleiben uns auch, soweit ich sehe, derlei Engagement schuldig. Das muß uns nicht hindern, in diesen Fragen voranzukommen.

+) Siehe dazu auch: „Industrie 4.0: Abholstation“ [link]

— [Fiat Lux: Roboter] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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