Nach einigem Vorlauf im Erarbeiten de Gesamtthemas hat nun eine intensive Umsetzungsphase ihren Lauf genommen. Das meint die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst und den Geist in der Maschine. Ich hab das in komplementär wirksame Teilthemen gegliedert.
Das bedeutet, ich arbeite mit inspirierten Menschen an verschiedenen Orten die Teilthemen nun auch in der Praxis stärker heraus und verknüpfe diese Arbeitskomplexe laufend. Aktuell war ich mit Heimo Müller im Blogmobil unterwegs und hab den Handwerker Roman Hold in seiner Werkstatt besucht. Der Auftakt für eine Serie von Features.
Ehre? Ehre entsteht dort, wo jemandem Respekt entgegengebracht wird. Mir scheint, Ehre ist kein Geschenk, sondern eine Relation, etwas wechselseitig Bedingtes. Ehre drückt eine Beziehung aus. Dazu muß es unter allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis von bestimmten Qualitäten geben.
Es geht um Qualitäten, die jemand aufweist. Qualitäten, welche gemeinsam respektiert und gewürdigt werden. Damit bin ich nebenbei gleich bei der sehr spannenden Frage, was denn Qualitäten auf verschiedenen Feldern seien.
Es gibt Subkulturen, in denen „Respekt“ die zentral maßgebliche Kategorie ist. Während junge Leute das auch zu einem wichtigen Wort in ihrem Jargon gemacht haben, also „Respekt“ oft im Mund führen, kenne ich unter Handwerkern nur die „stille Variante“.
Da wird Respekt nicht erwähnt, sondern erwiesen.
Das setzt natürlich nicht nur Kenntnis der Qualitäten, sondern auch eine Kenntnis der Codes voraus, die in den jeweiligen Milieus vorherrschen. Jargon. Symbole. Rituale. Da ist oft von außen gesehen nicht leicht erkennbar, was jemand gerade meint, ausdrückt.
Ich gebe ein Beispiel. Als einer der Altmeister, mit denen ich seit Jahren zu tun habe, mich zum ersten Mal mit einem recht lauten „Krusche-Bua! Was machst?“ begrüßte, war mir klar, daß sich in unserem Umgang etwas günstig verändert hatte.
Ein anderer sagt neuerdings, wenn wir uns verabschieden, gerne: „Tu schön arbeiten.“ Nuancen, in denen der versierte Handarbeiter dem reinen Kopfarbeiter ein Stückchen Übereinkunft auf gemeinsamem Terrain mitteilt.
Und noch einmal: Jargon. Symbole. Rituale. Auch Musiken. Bekleidungsstile und Haartrachten. Feste und Inszenierungen. Hier ist eigentlich von Erscheinungsformen der Volkskultur zu sprechen. Mit dem Aufkommen der „Niederräder“ („Safeties“) gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnen derlei neue soziokulturelle Entwicklungen.
Gruppenbildungen und Vereinswesen plus rituelle Gemeinschaftsunternehmungen, welche über die Jahre wiederholt werden, entfalteten sich sprunghaft mit der Verbreitung dieses Fahrzeugtyps. Die Motorisierung von Fahrrädern und die Entwicklung des Automobilismus haben derlei Tendenzen dann vertieft und ausgeweitet. Daher: (Volks-) Kultur.
Die meisten Menschen assoziieren mit dem Begriff Volkskultur bloß einige Phänomene der versunkenen bäuerlichen Welt. Doch was die Gegenwart des Agrarischen ausmacht und was sich gesamt im 20. Jahrhundert als kulturelle Formen des Volkes, der breiten Bevölkerung, herauskristallisiert hat, bleibt dabei letztlich unberücksichtigt.
Volkskultur handelt von Ritualen einer Gemeinschaft und von ihren Festen, auch davon, wie diese Bereiche symbolisch ausgestattet werden. Außerdem liefert die Handfertigkeit der Menschen uns Werke aus, in denen jemand seine Gestaltungsfreude sowie Einfallsreichtum zeigt. Da geht es nicht nur um zweckrationale Lösungen, da geht es auch um Visionen.
Die Volkskunde (wahlweise: Ethnologie) ist in der Frage seit den späten 1950er Jahren wesentlich weiter als diverse Kulturreferate und das Feuilleton. Von der Wissenschaft wurde über Jahrzehnte untersucht und beschrieben, was allgemein geübte Praxis der Menschen ist. Ich meine „Volkskultur in der technischen Welt“. (So auch der Titel eines grundlegenden Werkes von Hermann Bausinger.)
Was also in solchen Zusammenhängen Kultur des Volkes ist, handelt nicht bloß von Trachten mit Kittelschürzen, Goldhauben oder Kniestrümpfen. Es gibt in anderen Subkulturen längst auch komplexe Dress Codes.
Es gibt verschiedene Schulen der formalen Lösungen/Getaltungen beim Umbau von Fahrzeugen. Es herrschen musikalische Konventionen, spezifisches Liedgut, es gibt typische Accessoires etc. Nicht zu vergessen, was eine heimische und internationale Tattoo-Szene an Codes und kulturellen Merkmalen zeigt.
Hier besteht längst ein vielseitig ausgebildete Volkskultur, über deren Symbolik man untereinander kommuniziert und sich nach außen darstellt. Wir werden das in den kommenden Jahren etwas besser nachvollziehbar machen; rund um das Leitthema „Die Ehre des Handwerks“.