Symposion: Ankünfte

Die letzte Woche vor der Eröffnung habe ich pro Tag zwei Wäschegarnituren verbraucht. Ein schweißtreibender Job. Nein, darüber gibt es nichts zu klagen. Anstrengung, die manchmal eben solche Spitzen hat, ist Teil der erwünschten Prozesse, unvermeidlich, unumgänglich.

Es wäre Mumpitz, die Mühe zur Qualität zu erheben. Sie ist bloß ein Preis. Ein Einsatz. Der Preis ist ein Medium. Er wird durch solche Prozesse in etwas anderes konvertiert. Ich bin allerdings manchmal verblüfft, wie viel Arbeit es gewesen ist, um einen speziellen Abend zu erreichen, der sich einlösen soll. Und wie weiß ich, daß es funktioniert hat?

Wenn eine Ansammlung von Menschen sich vom Vorgefundenen merklich beeindruckt zeigt, ist ein erstes Stück Klarheit erreicht. Wenn ein wesentlicher Teil des Publikums Stunden vor Ort bleibt, in Gespräche vertieft, dann sind wir auf dem Punkt. Dann sind wir irgendwo angekommen; für Augenblicke.

Freilich muß das Werk für sich bestehen. Doch in der Begegnung tut sich diese zusätzliche Dimension auf, um die es mir geht. Darin findet das geistige Klima eines Lebensraumes seine Anregungen. Denkanstöße. Ästhetische Erfahrungen. Auch Kontroversen.

Das Feld der Kunst ist ein Abenteuerraum. Hier muß nichts funktionieren wie im Alltag der meisten Menschen. Die Welt der Emotionen, der Irritationen, auch des Unverständnisses ist das Wünschenswerte. In der Begegnung mit künstlerischen Werken muß man selbst nicht bestehen, muß nichts gelingen.

Es gibt eine populäre Falle. Vielleicht kennen Sie den Satz der Abwendung: „Davon verstehe ich nichts.“ Was für eine Irreführung! Genau das ist doch der Ausgangspunkt. Es ist der beste Grund, sich auf Kunst einzulassen. Und zwar jedes Mal neu. Wer alles zu verstehen meint, wäre für die Kunst verloren. Alles verstehen? Wie banal!

Wenn ich auch in Zukunft mit Kunst befaßt sein werde, dann eben deshalb, weil hoffentlich Dinge vor mir liegen, von denen ich nichts verstehe, keine Ahnung habe. Dort sollten wir uns verabreden, sollten wir uns das nächste Mal treffen.

Damit möchte ich betonen: Wir suchen uns neue Fragestellungen, Aufgaben. Denen wenden wir uns — unter anderem — mit künstlerischen Mitteln zu. Wäre dort das Gelingen dieser Verständigung schon gesichert, müßten wir uns gar nicht erst auf den Weg machen.

Wenn Sie Ihren Job tun, handelt das sehr oft von Anforderungen, ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen. Falls mein Boiler rinnt, soll der Installateur das abstellen. Steht meine Karre, soll sie der Mechaniker wieder in Gang bringen.

Was klaglos funktioniert oder sich ohne große Umstände in Gang setzen läßt, ist trivial. Gut so, denn mein Alltag würde mir zu viel Zeit nehmen, wären Leute nicht in der Lage, mir diese Trivialität sicherzustellen.

Aber wenn ich in die Kunst gehe, soll das bitte anders sein. Dort möchte ich aus dem Trivialen herausfallen…

— [Das Kunstsymposion] [Generaldokumentation] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Reflexion und Grundlagen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.