Dissens ist immer knifflig. Aber erst ab da wird es in menschlicher Gemeinschaft wirklich interessant, denn der Modus „Wonne und Griesschmarren“ wirft ja gewöhnlich keine bedeutenden Fragen auf.
Zugegeben, wir schrammen an philosophische Kategorien entlang, wenn eine Position für zwischendurch lauten sollte: „Wir sind uns vollkommen einig, daß wir uns nicht einig sind.“
In der Philosophie mag das eine feine Sache sein. In der praktischen Arbeit geht es damit nicht voran. In der praktischen Arbeit muß ich den nächsten Schritt nach vorne oder nach hinten, nach links oder nach rechts setzen. All zu viele Kombinationen dieser Möglichkeiten haben wir nicht zur Verfügung.
Ließe man wahlweise den Fuß in der Luft, stünde damit der ganze Laden.
Genau das galt es gerade jetzt zu vermeiden, wo wir mit der Kooperation von Kunst Ost, kultur.at und der Stadt Gleisdorf in eine dichte Arbeitsphase gehen, die den Herbst erfüllen soll. Wir sind zur Konsensfindung verpflichtet, sonst blieben die Füße in der Luft und der Laden stünde.
Eben deshalb saß ich nun mit Citymanager Gerwald Hierzi bei Bürgermeister Christoph Stark. Es war sozusagen die Pause bei einer Wildwasserfahrt.
Unterschiedliche Codes, unterschiedliche Modi, unterschiedliche Prioritätenlisten. Das sind a priori die stärksten Kontrastmittel, wo „BürgerInnenbeteiligung“ in die Praxis finden soll, wenn also das Bottom up-Prinzip in Projekten gepflegt werden soll.
Wo nun für den Citymanager Hierzi stellenweise „eh alles klar“ schien, haben sich für mich Differenzen aufgetan. Wo sich über Differenzen keine Verständigung einstellt, werden daraus leicht Kontroversen. Die braucht aber im Moment niemand.
Es stellen sich Adaptionsfragen bezüglich der Arbeitsweisen.
Was ich derzeit „Das Hierzi-Büro“ nenne, sind zwei Institutionen der Stadt in einem Paket. Da ist die „Abteilung Kultur und Marketing“ (Verwaltung, Link) und da ist der „TIP: Tourismusverband Gleisdorf“ (Privatwirtschaft, Link)
Hierzi steht diesem als Abteilungsleiter vor, jenem als Geschäftsführer. So ein Gefüge funktioniert vollkommen anders als ein zivilgesellschaftlicher Kulturverein. Beide sollen aber einen Modus der tauglichen Kooperation miteinander einführen können.
Was haben wir? Gemeinsamkeiten und Trennendes. Übereinstimmung und Divergenz. In einigen Punkten schienen unsere Auffassungen unvereinbar. Also wurde für die verfestigte Kontroverse ein Ausstiegsszenario nötig.
Ist es klug, sowas zu publizieren? Sollte es nicht hinter verschlossenen Türen bleiben? Sie sehen, ich ziehe es vor, daß man von außen wahrnehmen kann, es hat gerade Brösel gegeben; und wir arbeiten an Lösungsmöglichkeiten.
Wir haben einen simplen Modus gefunden. Da meine langjährige Arbeitspraxis im Dialog mit Bürgermeister Christoph Stark mir das ermöglicht, akzeptiere ich, daß er uns nächste konkrete Schritte vorgibt, nachdem er uns angehört hat. Das ist quasi eine Schiedsrichter-Funktion.
Wenn eine Auseinandersetzung über den Modus zu keinem Konsens führt, bleibt ja als erster Ausweg nur die Möglichkeit, jemandes Wort zu vertrauen und zu sagen: Darauf einigen wir uns jetzt. Stark betonte: „Miß uns nach den Ergebnissen.“
Es gibt tatsächlich keine andere plausible Option für mich, als dem Wort eines an der Kontroverse nicht Beteiligten zu vertrauen, loszulegen und zu schauen, was dabei herauskommt.
Inzwischen gab es eine weitere Session, Gerwald Hierzi, Leader-Managerin Iris Absenger-Helmli und ich. Also habe ich die Erstfassung dieses Textes nun an einigen Stellen abgeändert. Es läßt sich festhalten: Der akute Konflikt ist beigelegt. Ein aktueller Kooperationsmodus ist skizziert. Wir haben Konsens über die Rollen und Aufgaben.
Nein, es war keineswegs selbstverständlich, diese Lösung zu erreichen. Wenn sie betrachten, welche Instanzen und Sektoren hier zusammenwirken, werden Sie mir zustimmen müssen: Für so ein Setting haben wir in dieser Region keine Vorbilder. Und ob es sie sonst wo gibt, entzieht sich vorerst meiner Kenntnis.
Das Setting: Hier kommunizieren und kooperieren Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um eine komplexe Kooperation auf mehrere Jahre hinzukriegen. Man könnte sagen: Der Kulturpakt Gleisdorf ist das Reisebüro für diese Wildwasserfahrt. Und niemand von uns weiß derzeit, wo wir anlanden werden.
— [Generaldokumentation] —