Der letzte Juni-Tag war von zwei Ereignissen markiert. Es kam eine Schachtel voll Unterlagen ins Haus. Die Belege und Berichte zur letzten Abrechnung des LEADER Kultur-Projektes 2010 bis 2013. Und nachts hatte ich (nach einem Kulturpakt-Plenum) eine geradezu beunruhigend dichte Session mit dem Gleisdorfer City-Manager Gerwald Hierzi und dem Ludersdorfer Kulturbeauftragten Peter Moser.
Das bedeutet, ich bin eine große Bürde losgeworden, denn LEADER-Budgets abzuwickeln ist nicht nur äußerst arbeitsintensiv, es ist auch aufgrund der vielen Prüfinstanzen sehr riskant. Man weiß nie, was einem davon um die Ohren fliegen könnte.
Die nächtliche Session hatte jene Qualität von Streitgesprächen, in denen Menschen um Verständigung zwischen sehr kontrastreichen Positionen ringen. Das ist unausweichlich, wenn in einer pluralistischen Gesellschaft eben diese Vielfalt auch im Dissens Bestand haben soll; und Dissens ist eine sehr förderliche Kraft, denn wie Moser anmerkte: „Wenn wir uns einig sind, ändert sich nichts.“
Es geht also nicht darum, die Einigkeit zu begießen wie einen Blumentopf, sondern die Differenz konsenstauglich zu machen und dabei arbeitsfähig zu bleiben. Das ist eindeutig Stoff für Fortgeschrittene.
Doch schon das Kulturpakt-Plenum selbst war ein Ereignis der Kontraste. Für mich bleibt daraus die interessante Frage: Wie viel Konsens ist unbedingt notwendig, um Dissens zulassen zu können? Dabei spreche ich für Optionen einer kollektiven Kulturpraxis.
Der Sologesang einzelner Schwäne interessiert mich überhaupt nicht. Das soll der Markt regeln. Oder aber: Wer zu einem ausreichend exquisiten Werk imstande ist, möge einen geschützten Arbeitplatz erhalten, um sich nicht in Überlebenskämpfen verbrauchen zu müssen.
Doch selbst in diesem Fall von singulärer Exzellenz müßte verhandelt werden, wer dafür ist, diese konkrete Person von allen anderen Pflichten freizustellen. Und es müßte verhandelt werden, mit welchen Mitteln das geschehen soll.
Wir übrigen Leute werden dagegen zu klären haben, was an Wissensarbeit und an künstlerischer Arbeit aus öffentlichen Mitteln kofinanziert werden möge und woher der Rest einer Ko-, also MITfinanzierung kommen solle.
Das war nun die hitzige Hälfte einer kühlen Nacht, in der wir, drei höchst unterschiedliche Männer, um Grundsätze, Verständnisfragen, Begriffe und Modi gerungen haben.
Ich sehe definitiv KEINE Möglichkeit, um allenfalls OHNE derlei Auseinandersetzungen Richtung Neuland, Richtung Innovation auch nur aufzubrechen. Ich sehe absolut keine Chance, ohne derlei Anstrengungen irgendwo anzukommen, wo man nicht schon war.
Solche Kontroversen sind anstrengend. Sie nehmen Kraft und Zeit in Anspruch. Diese ressorucen müssen aber verfügbar sein. Wer sie aber ausschließen wollte, hätte damit beschlossen, daß die Dinge so bleiben müssen wie sie sind. Da sie derlei aber nie tun, so zu bleiben wie sie sind, hieße das, sich von Umbrüchen irgendwann überraschen zu lassen.
Und so gehen wir einen anderen Weg, gehen in den Kontrast, um herauszufinden, welche Art Umbruch wir von uns aus gestalten können. Es bleibt ohnehin genug an Unwägbarkeiten.