Nach all den Äußerungen und Protestnoten gegen eine Richtung rechts driftende Regierung Österreichs, dabei auch allerhand Ömpörung, die ich als Pose qualifiziere, kann ich in meiner Umgebung beim bestem Willen etwas Grundsätzliches nicht finden.
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Nämlich die für mich naheliegendste Reaktion auf derlei Tänzchen des Neofaschismus: Daß ein Milieu aus den Gefilden des geistigen Lebens die heute so niedrigschwelligen Zugänge zur mediengenerierten Öffentlichkeit nutzt, um Einwände gegen die Argumente der vaterländischen Rudel vorzubringen.
Sie sehen den Unterschied? Ich fechte nicht die Personen an, nicht ihr Handeln, das mir ja in deren Bezugssystem konsequent erscheint. Ich fechte ihre Argumente und Zustandsbeschreibungen an.
Einwände und Argumente gegen die Personen halte ich für nutzlos. Erstens, weil Argumente ad personam seit der Antike als ganz schwaches Repertoire gelten. Zu Recht! Zweitens, weil die vaterländischen Rudel davon profitieren, daß sie mit Strategien der Komplexitätsreduktion Mumpitz versprechen, der gerne geglaubt wird, sich aber nicht einlösen läßt.
Da muß man bloß einmal vorrechnen, was die Umsetzung ihrer Wahlversprechen kosten würde, schon ist ein wesentlicher Teil des Gehampels vom Tisch. Ich bin überzeugt, ein „Du lügst!“ birgt nicht einmal den Bruchteil jener Wirkmächtigkeit, den ein „Die Sache verhält sich nämlich so:“ entfachen kann.
Na, selbstverständlich nicht als Massenphänomen. Wir habe spätestens in den Corona-Jahren deutlich erfahren, daß Fakten im öffentlichen Diskurs gegen Wohlfühlsätze auf dem Boulevard nicht viel ausrichten können.
Aber ich wünschte, ich wäre wenigstens innerhalb des Kulturvölkchens Teil einer sachkundigen Community, in der es als selbstverständlich gilt, daß man sich Themen, zu denen man öffentliche Aussagen macht, auch in einem Mindestmaß erschlossen uni angeeignet hat.
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Wir, das Kulturvölkchen, damit meine ich jenen Teil eines komplexeren geistigen Lebens im Land, der sich ein Mindestmaß an Geschichtskenntnissen leistet, der ein bemerkbares Level an dem vorweisen kann, was man in meinen Kindertagen „Allgemeinbildung“ genannt hat.
Ich würde unsere Milieu auch gerne im kritischen Diskurs geübt sehen. Kritischer Diskurs, das bedeutet nicht, ich kann (und will) Andersdenkende übern Haufen rennen. Das heißt: Begründen statt verkünden! Ich ertrage Differenz, ich kann Dissens als anregend begreifen, ich zitiere sauber und vermag meine Gründe zu nennen.
Das ist kein Instrumentarium gleich einer Waffenkammer. Es ist Handwerkszeug für das Bereiten und ausbreiten einer Nische, in dem Redlichkeit wohnen kann. Mit Redlichkeit meine ich, daß sich eine Art Fließgleichgewicht zwischen dem Denken, dem Reden und dem Tun feststellen läßt.
Stimmt schon, in dem Modus könnte auch ein Gauner oder eine Nervensäge als redlich gelten. Das ist für mich okay. Nur in der Tyrannei wird all das nach Möglichkeit glattgebügelt. In einer Demokratie finde ich die Praxis des Kontrastes unverzichtbar. Auch in dem, was mit mißfällt.
Aber ich möchte faire Bedingungen vorfinden und ich will, daß ein Vorgehen mit verdeckten Intentionen geächtet wird. Dann noch die Sache mit links und rechts. Was heißt das? Ich nutze Dschingis Khan als Markierung für die absolute tiefste Position weit rechts. (Dort spielt Menschenwürde überhaupt keine Rolle und Schwächere sind im Rang von Dingen, können nach Belieben ausgelöscht werden.)
Ab da nehme ich Maß. Wie weit links von Dschingis Khan steht und handelt jemand? Auf dieser Skala kann dann auch eine Person mit einem soliden Selbstverständnis als Linker sehr weit rechts zu finden sein, kann ein erklärter Konservativer sehr viel weiter links von Dschingis Khan stehen.
Redlichkeit durch Verzicht auf verdeckte Intentionen, Achtung der Menschenwürde, ein Bemühen, um Verteilungsgerechtigkeit wenigstes nicht zu beschädigen, sondern nach Kräften zu unterstützen, andere nach Kräften nicht auszunutzen, schon gar nicht zu berauben, ich denke, mit so einem Koordinatensystem ließe sich gut vorankommen. (Ist auch in meinem nächsten Umfeld nicht selbstverständlich.)
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