Kulturpolitik: Pech beim Denken

Zugegeben, auch ich hab eine Liste der Dinge, durch die mir dieses Jahr in manchen Aspekten gründlich mißfiel. Wer nicht? Das ist banal.

Kulturpolitik: Wohin geht die Reise?

Also lasse ich es, diese Liste vorzulegen. Aber für ein Beispiel brauche ich eine Ausnahme. Ich bin fast schon verstört, welche inhaltliche Bankrotterklären von nennenswerten Teilen meiner Branche eben vorgelegt wurde. Dabei könnte das Kulturvölkchen gerade jetzt, in diesem Umbruch, glänzen.

Bei all dem Gejammere und Räsonieren, was die Wahlerfolge rechtspopulistischer Kreise angeht, wurde erwartungsgemäß die Sorge laut, das könne unerfreuliche kulturpolitische Konsequenzen haben. Eine plausible Sorge, wenn man an die Bedingungen der Gegenwartskunst denkt.

Aber! Dann las ich am 18.12.24 in der Kleinen Zeitung, der neue Landeshauptmann, Mario Kunasek (FP), sei nun wohl Schirmherr der Sphäre „Volkskultur“, dagegen „die Hochkultur bei Landesrat Kornhäusl (VP)“, mit Vornamen Karlheinz.

Meine Leute haben es also nicht geschafft, womöglich auch nicht vorgehabt, während wenigstens der letzten 30 bis 40 Jahre diese wichtige Diskursleistung zu erbringen. Daß nämlich mindestens die Kräfte des Feuilletons beachten, besser noch: verläßlich wissen, weshalb man mit dieser Dichotomie „Volkskultur/Hochkultur“ das geistige Leben der Steiermark schon längst nicht mehr beschreiben kann.

Ich hatte seinerzeit Verständnis dafür, daß bei uns in den 1950ern weder die Bedeutung einer Russischen Avantgarde, noch eines Dadaismus etc. angekommen war. Popkultur? Frankfurter Schule? Frauenbewegungen? Das 1968er Jahr? Deutschlands bleierne Zeit? Wir blieben mit allem Verstehen etwas in Verzug.

(Quelle: KLeine Zeitung)

Nun las ich am gleichen Tag beim ORF unter „Details aus dem neuen Regierungsprogramm“ diese gespenstische Passage über die neue steirische Landesregierung: „Mit der Überschrift ‚Tradition und Moderne‘ könnte man freien Kulturschaffenden die Angst vor Zensur und Budgetkürzungen nehmen.“

Wirklich? „Die Moderne“ als Referenzpunkt? Da sehe ich nun mehr als bloß ein semantisches Problem. Darf ich Ihnen den Besuch der nächstbesten Bücherei empfehlen? Ich hoffe, dort finden sich ein, zwei Bücher, die klar machen, was „Die Moderne“ ist, denn ich will mich mit einer Erläuterung dessen nicht aufhalten. (Zur Einstimmung tut es sogar der Wikipedia-Eintrag!)

Über all das werden wir hier noch reden müssen. Wenn also steirische Kulturpolitik zum Ende des Jahres 2024 in Begriffspaaren wie Volkskultut und Hochkultur oder Tradition und Moderne referiert wird, dann muß ich annehmen, die Steiermark hat Erzherzog Johann von Österreich, einen sensationshungrigen Reformer, überwunden und ist wieder eine rückständige Region geworden.

Diese Begriffe sind für ein Verhandeln der Gegenwart und kommenden Bedingungen unbrauchbar. Wir haben überdies Kunstdiskurse zum Thema Low/High (adäquat zu Volkskultur/Hochkultur) schon vor Jahrzehnten miterlebt; oder verschlafen. Selbst Publikationen aus unserem eigenen Milieu waren da in den 1990er Jahre schon weiter. (Von Jeff Bernard bis Gerald Raunig.) Darauf werde ich noch zu sprechen kommen.)

Ich hab im Archipel zu genau solchen Fragen die Themenleiste „Wann ist Kunst?“ (Zum Stand des Diskurses) eingerichtet. Da möchte ich im Jahr 2025 einiges voranbringen; gemäß meinem Mantra: „Provinz, das muß nicht provinziell heißen“.

+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Postskriptum
Die Headline hab ich einer Notiz von Autor Peter Glaser entrissen, die da lautet: „Ich würde nicht sagen, dass er dumm ist. Er hat einfach Pech beim Denken.“

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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