Österreichs Guerilla VI

Es gibt nicht gar so viele Themen, bei denen ich der Möglichkeit traue, die ganze Sache auf zwei Positionen herunterzuregeln.

2021: Emina Saric (rechts) bei ihrer Buchpräsentation.

Entsprechend hab ich in der vorigen Notiz betont, daß ich auf den Begriff „Geschlechterkampf“ verzichte. Zitat: „Er unterstellt eine Feindseligkeit zwischen Männern und Frauen, verleitet zu martialischen Narrativen, wo wir uns achtsam um Interessen- und Konfliktlagen kümmern sollten.“

Dabei muß allein schon deshalb differenziert werden, weil wir zwischen biologischen und sozialen Geschlechtern unterscheiden. Was die Rollenkonzepte und Rollenzuschreibungen angeht, finden sich auch so allerhand Kontraste; je nach Weltgegend und vorherrschenden kulturellen Codes.

Ich konzentriere mich hier auf Österreich. Heute ist der letzte Tag dieses Aktions-Schwerpunktes vom 25.11. – 10.12.2024. Das Österreichische Nationalkomitee für UN Women (UN Women Austria) hat es so formuliert: “16 Tage lang setzen wir ein starkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Dieses Jahr unter dem Motto: Man(n) kann Gewalt an Frauen beenden“.

Das Ausmaß der Gewalttätigkeiten gegen Mädchen und Frauen ist hierzulande immer noch obszön hoch. Allein das spottet jedem Gerede von „abendländischen Werten“, auch von den angeblichen Qualitäten einer österreichischen „Leitkultur“, die mir bisher noch niemand näher erklären konnte. Es bleibt die Frage offen, weshalb das Ausmaß dieser Gewalttätigkeit in Österreich nicht schon längst radikal runtergefahren wurde und weshalb ein breiter gesellschaftlicher Konsens zur Ächtung der Aggressoren bis heute fehlt.

Das ist nicht bloß ein Problem von Judikative und Exekutive. Es nistet als Problem in den Köpfen und in der Sprache dieser Gesellschaft. Der ziemlich besinnungslose Dietwin K., den ich im vorigen Beitrag zitiert habe, ist exemplarisch für das Verleugnen (oder Verdrängen) dessen, was der Fall ist. Zitat: „Haben wir nicht andere, schwerwiegendere Probleme als Feminismus??!“

Ich komme noch einmal auf Luise F. Pusch zurück, die festgestellt hat: „Die Welt kongruiert mit dem Mann. Der Mann hat sich die Welt gedanklich so erklärt und geordnet und faktisch so eingerichtet, daß sie ihm gleichförmig war, mit ihm übereinstimmte, kongruierte.“ Da liegt einer der Erklärungsansätze für den andauernden Mißstand.

In diesem Sinn finde ich bei Emina Saric in „Ehre, Scham und Schande“ (Warum wird Frauen Gewalt angetan) folgende Passage: „Das Nicht-Vorhandensein in der Geschichte oder einzelne geschichtliche Beweise der wenig vorhandenen weiblichen Narrative zeugen von einem patriarchal geprägten kulturellen Gedächtnis oder Archiv, in dem es lediglich für die männlichen Träger von Narrativen und Erinnerungen ausreichende Speicher gibt.“ (Es ließe sich ergänzen: „…und eine ausreichende Sprache gibt“.)

Was überdies die Komplexitätsreduktion auf Dichotomien a la Dietwin K. angeht, schrieb Saric: „Nach dieser ‚Urmatrix‘ der Geschlechtergegensätze (Pflugschar/Furche, Himmel/Erde, Feuer/Wasser, passiv/aktiv, feucht/trocken), die mit dem Geschlechtsakt als männlich dominiertem Herrschaftsverhältnis konnotiert ist, erscheinen alle kulturellen Merkmale und Geschlechterdifferenzen als naturgegeben.“

Wir sehr das Teil unserer kulturellen Praxis ist, betont Saric hier: „Die männliche Weltsicht konstruiert das weibliche Geschlecht so als seinen Gegensatz und daher als untergeordnet, was sich in den anderen dargestellten kulturellen Schichten wie Ritualen, Helden und Symbolen widerspiegelt.“ [Vorlauf]

+) Orange 2024 (Übersicht)
++) Rechtsruck (Der Rahmen)

Fußnötchen
Da ich mich mit diesen Umständen nicht arrangieren will, sind Überlegungen nötig, wie ich mich orangieren kann.

Orange the World
+) Bundeskanzleramt

Weiterführend
Rituale, Helden und Symbole, darüber wird hier noch zu reden ein. Was das erwähnte Buch von Emina Saric angeht, siehe meine Notiz vom Oktober 2021: [Link] Dem waren einige Überlegungen wie diese vorangegangen:

„Wo aber Mütterlichkeit als ein Synonym für Weiblichkeit gehalten wird, sind Konflikte unweigerlich vorprogrammiert. Das ergibt also zwei interessante und diskussionswürdige Punkte:
+) In wessen Händen liegt die Verwaltung von Männlichkeit?
+) Welche Art Ablaufdatum hat Mütterlichkeit, um einer Weiblichkeit Platz zu schaffen?“
(Ein Zitat aus „Ausgelagerte Männlichkeit“.)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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