Ich bestaune, zu dieser Thematik keinen öffentlichen Diskurs innerhalb des Kunstvölkchens zu finden. Unser Metier steht auf der Checkliste der Neuen Rechten weit genug oben.
Das Diskreditieren von Institutionen des Wissenserwerbs, das Herabwürdigen ganzer Berufsgruppen, das Korrumpieren einer kritischen Öffentlichkeit, diese Kräftespiele werden übrigens inzwischen von Leuten aus unseren eigenen Reihen mitgetragen. (Über all das zu schweigen ist auch ein lebhafter Beitrag dazu.)
Die Frontstellung
Wie kurios, daß Donald Trump und Vladimir Putin gleichermaßen geltend gemacht haben, sie müßten ihre Nation gegen den Faschismus verteidigen. Im Umfeld von Trump fällt mir auf, daß White Pride ein wichtiges Thema ist und sich Weiße ethnisch bedrängt, bedroht fühlen.
Bei Putin sehe ich nicht, daß ihm ethnische Konfliktlagen den Schlaf rauben würden. Aber er ringt erkennbar um „nationale Größe“, was er auch territorial deutet. Deshalb der Überfall auf die Ukraine, von dem Trump im Wahlkampf eben behauptet hat, diesen Krieg würde er als „Potus“ sofort abstellen.
Das hat eine interessante Hintergrundfolie. Diesseits des Ural sprechen wir von Europa, jenseits des Ural von Asien, Der europäische Kolonialismus westlicher Prägung war einst ganz wesentlich auf taugliche Schiffe wie die Karavellen gestützt. Der russische Kolonialismus ist einer hoch zu Roß gewesen. So kommt er auch heute auf dem Landweg daher.
Der historische Faschismus bezog seine Kraft ganz wesentlich aus einer Frontstellung gegen die Arbeiterschaft und den Marxismus. Daß allerdings die alten Faschisten je ein eigenes Wirtschaftssystem entwickelt und etabliert hätten, ist mir nicht bekannt. (Das war im Sozialismus anders gelagert.)
Hitler hatte einen Teil der Industrie-Elite für sich gewonnen, weil er anbot, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die Kommunisten zu erledigen; was dann auch geschah. Wenn ich bedenke, wie infantil bei uns heute manche Christlichsoziale auf kleine kommunistische Wahlerfolge reagieren, scheint mir, wir sollten das als eine Art Stereotyp im Auge behalten.
Jede Krise des Kapitalismus verlockt offenbar, solche Reflexe zu reaktivieren. Während also beispielsweise Christlichsoziale von einem „neuen Klassenkampf“ schwafeln, was Quatsch ist, weil es diese historischen Klassen nicht mehr gibt, verkommt mir österreichischer Wahlkampf zu einem Fest der Ressentiments, statt sich wenigstens der Gegenwart zu stellen.
Und jetzt?
Womit haben wir es aktuell zu tun? Auf Ernst Nolte und die Habermas-Kontroverse müssen wir nicht mehr zurückgreifen. Die Totalitarismus-Debatte mag ich heute den Fachkräften der Geschichtsschreibung überlassen. Die bringt mich nicht weiter.
Hannah Arendt ist mir nach wie vor für viele wertvolle Anregungen gut. Umberto Eco hat uns Kriterien angeboten, um einen „ewigen Faschismus“ zu identifizieren. Publizist Paul Mason betonte in seiner Abhandlung über den Faschismus, daß dieses politische Phänomen im Kern ein Bündnis zwischen Elite und Mob sei.
Das war an den Nazi gut zu beobachten. Das sehe ich an Trump, der dieses Verhältnis virtuos orchestriert hat. In unserer europäischen Gegenwart ist es mir momentan noch nicht so klar. Aber ich denke, da läßt sich etwas feststellen. Mir fällt auf, wie sich eine gebildete Mittelschicht in etlichen Bereichen mit Legionen von Subalternen verbündet hat, um etablierte Institutionen des Wissenserwerbs und der Informationsvermittlung zu diskreditieren.
Da heißt es dann zum Beispiel abschätzig „die Wissenschaft“ und „die Medien“, was gerne im Sinn von „Lügenpresse“ betont wird. Das muß dann gar nicht erst ausgesprochen werden. Wir Menschen verstehen ja Kontext und Subtext allemal.
Dazu gesellt sich ein Schwall schlechter Manieren, in dem Politikerinnen und Politiker oft ziemlich pauschal beschimpft werden. Welche Dummheit das ergibt, wo wir um eine sehr angeschlagene liberale Demokratie zu ringen hätten, ist anscheinend nicht mehr allgemein klar.
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