Vol. 41: Poiesis und Praxis in der Malerei

Von Monika Lafer

Die Ausgangsposition war das Vorhaben, ein bestimmtes Motiv in der Sprache der Malerei umzusetzen.

Diesmal soll es mit der Ilz im Frühsommer zu tun haben. Es geht darum die Stimmung auf einen sehr kleinen Naturausschnitt des Bachufers zu übertragen. Hier, in der Nähe von Alterilz, ist sie nämlich noch ein Bach. Mittlerweile brauche ich keine 100 Fotos mehr, um zu erkennen, wann ich das Auszudrückende verdichtet mit der Kamera eingefangen habe. Es reichen meist fünf, aus denen ich kombiniere und auswähle.

Dann wird überlegt welches Format passend sei und eine entsprechende Leinwand aufgezogen. Leinengewebe, ungrundiert. Das gehört zur Praxis (Anwendung von Gedachtem in der Wirklichkeit).

Die Methode der praktischen Umsetzung – also der Weg auf ein bestimmtes Ziel hin – ist jene, die mir genau solche Rahmenbedingungen schafft, dass ich mich möglichst eingehend mit Inhalt und dessen Formulierung auseinandersetzen kann. Was bedeutet das?

In meinem Fall heißt das, ich drucke das Foto aus (mindestens A4) und falte es mehrfach. Dieselbe Einteilung (im größeren Maßstab) kommt mittels Kreide auf die Leinwand (Kreide verändert die Farbe der Malschicht nicht und bleibt darunter verborgen). Wir haben nun eine Leinwand mit einem Raster. Ich kann mich nun mit jedem „Kästchen“ auseinandersetzen, denn die grundsätzliche Komposition ist bereits mit der Bearbeitung des Fotos als Ausgangsmaterial geschehen. Was bedeutet diese Auseinandersetzung mit den Kästchen nun?

Würde es das sklavische Abmalen bedeuten, könnte ich mir das Nachdenken über Poiesis und Praxis in der Malerei sparen.

Innerhalb eines „Kästchens“ wird nun nach den Prinzipien der Malerei vorgegangen: Welche Kontraste gibt es und wie werden sie im Sinne einer stimmigen Komposition eingesetzt? Wo sind Flächen und wie werden sie am klarsten formuliert?

Es geht um liebevolles Suchen im Motiv und das flächige, aufbauende Prinzip. Keine Pinselzeichnung. Und auch keine „Verwischtricks“, „Highlights“ oder ähnliche Abkürzungen.

Wilhelm Leibl (1844-1900) ging so weit, dass er in seinen Bildern alles aus Rechtecken mit einem flachen Pinsel aufbaute. Das konnte man am Endergebnis nicht mit freiem Auge sehen, zumal es nicht das einzige Prinzip in seinen Arbeiten war.

Das Denken mit dem Pinsel (Cezanne hatte seine Vorgangsweise so bezeichnet) findet nun Stück für Stück statt. Das ist Poiesis: es entsteht etwas Neues, das vorher noch nicht da war.

Und es scheint ein ständiges Oszillieren zwischen Vorstellung und Realität zu sein, das Tun wird vom Denken überwacht und gegebenenfalls korrigiert. Es geht ja in jeder Arbeit um das Besser-verstehen, ums Weiterkommen. Wenn ich etwas verstanden habe, dann sieht man das auf der Leinwand. Und das ist für mich Poiesis. [Fortsetzung: Vol. 42: Poiesis und Praxis in der Malerei II]

Übersicht
+) Zeit.Raum (Das Projekt)
++) Lafers Episoden
+++) Poiesis im Zeit.Raum (Austria-Forum)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Archipel, Poesie, Zeitraum abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.