Tempo und Quote

In der laufenden Durchökonomisierung unser aller Leben haben Tempo und Quote hohen Rang. In meinem Leben nicht. In meiner Arbeit auch nicht.

Die ausgewiesenen Werte gelten für jeweils 30 Tage.

Zugegeben, es ist in manchen Abschnitten schwer, den Fuß auf die Bremse zu bekommen. Aber wenigstens die Orientierung sollte einem klar sein. In der ganzen Gesellschaft ist unbestritten zu viel Tempo. Im Kulturbetrieb hat das sehr merkwürdige Formen angenommen.

Projektentwürfe werden gerne bei einem konkreten Ziel angesetzt, das Ergebnis wird vorab definiert, dann dürfen alle rennen, es mit den verfügbaren Mitteln zu erreichen. Gut. Kann man machen. Das wäre dann zum Beispiel Kulturmanagement. Oder Marketing.

Wir haben gut gelernt, die individuellen Effekte zu verdecken, falls wir anfangen, an solcher Dynamik Schaden zu nehmen. Kunst ist aber etwas anderes. Entwicklung ist etwas völlig anderes. Kunstpraxis hat weit mehr mit Grundlagenarbeit zu tun. Kultur hat freilich Telos, ist im Kern aber Entwicklung.

Ich will diese Notiz nicht als allgemeine Verwünschung verstanden wissen. Ich möchte darüber reden können, was wir in welchem Lebensbereich für ein wünschenswertes, für ein akzeptables Maß halten. Tempo, Reichweite, Publikum, das will ich anlaßbezogen ergründen, nicht generell vorgegeben sehen.

Die Kultur-Zahlen haben mich positiv überrascht.

Ich bin derzeit in eine spezielle Dynamik verwoben, da wir das Kulturprojekt „Archipel Gleisdorf“ aufbauen, seine konkrete Umsetzung ausloten. Als aktiver Künstler beschäftigt mich sehr wesentliche jener Prozeß, in dem Inhalte entwickelt und entfaltet werden können. Ein Ergebnis ist dann auch wichtig, aber vorzugsweise nicht zu einem bestimmten Datum.

Das ist keineswegs der einzige Modus für die Arbeit, aber ein wichtiger Modus. Ob sich Politik, Verwaltung und diverse Managements darauf einlassen wollen, ist eine andere Frage, Doch wer in meinem Metier aktiv wird, sollte glaubhaft machen können, daß dabei nicht Quote, Wow-Effekt und Pressefotos die vorrangigen Zwecke sind.

Unter anderem deshalb, weil etliche Budgets aus öffentlichen Geldern für ganz andere Zielsetzungen zuerkannt werden. Wer das beugt oder da inhaltlich betrügt, sollte als Schmutzkonkurrenz vom Platz verwiesen werden.


Das Personen-Ranking halte ich für vernachlässigbar. Man kann es mit unzähligen Likes und kleinen Grußworten bei fremden Beiträgen beliebig hochtreiben.

Wie läßt sich konkret machen, was angemessen Werte seien? Ich erkunde das selbst gerade an folgendem Beispiel. Ich hatte auf dem Woche-Server zuletzt am 16. Januar 2024 einen Beitrag veröffentlicht, dann dort über Monate nichts unternommen. Für dieses Publikum war ich also vom Radar verschwunden.

Nächster Einstieg: 11. Mai 2024 mit „Gleisdorf: Kulturelles Klima“. Sie können davon ausgehen, dieses Genre „Gegenwartskunst und Kultur“ hat beim Woche-Publikum nicht gerade eine rasend interessierte, größere Anhängerschaft. Daher darf ich annehmen, daß die Zugriffszahlen einen brauchbaren Eindruck liefern, was sich derzeit regional in einem bestimmten Zeitraum erreichen läßt.

Ich durfte erwarten, daß Mobilitätsgeschichte, festgemacht am Puch G, eine deutlich höhere Quote erreicht als andere Beiträge. Ich war aber eher überrascht und erfreut, daß die Kunst-Themen derzeit offenbar innerhalb von 30 Tagen einen Schnitt von 250 Zugriffen erlangen. (Ich hab eher mit einem Durchschnitt um die hundert gerechnet.) Wir können uns also sehr wohl konsequent um unser Publikum bemühen, ohne die Illusion, daß Bäume in den Himmel wachsen.

Sie müssen das auch nicht, denn das geistige Klima eines Gemeinwesens lebt vor allem von Qualität und Kontinuität. Mit Marktschreiern brauchen wir uns nicht zu messen. die betreiben ein anderes Geschäft.

+) Krusches Kolumne (Woche)
+) Archipel (Ein Gleisdorfer Logbuch)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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