Lyrik #14: Tanker, Yachten und Kanus

Ich habe diese maritime Metaphorik in einer vorangegangenen Notiz schon anklingen lassen. Aus gutem Grund.

Verlegerin Anita Keiper im Gespräch mit Fotograf Richard Mayr.

Die Möglichkeiten zu publizieren und sich so ein Publikum zu erarbeiten, finden wir in sehr unterschiedlichen Betrieben. Mit den „Tankern“ habe ich Medienkonzerne gemeint. Das Bild der „Yacht“ verwende ich für kleine Literaturverlage, die nur deshalb Kontinuität schaffen, weil sie von sehr engagierten Menschen betrieben werden. (Mit „Kanus“ meine ich Literaturprojekte, auf die ich später noch kommen werde.)

Es muß in jedem Fall betriebswirtschaftlich funktionieren, das sollte allen klar sein. Aber ein Konzern und ein Unternehmen im KMU-Bereich haben selbstverständlich ganz unterschiedliche Bedingungen und Möglichkeiten. Dann wäre da noch die EPU-Liga. Sogenannte Einpersonen-Unternehmen, die von ein bis zwei Menschen geschultert und geschupft werden.

Konjunkturen
Lyrik hat erkennbar ihre wechselnden Konjunkturen. Allerdings kenne ich die Klage, daß Lyrik von Publikum und Markt gleichermaßen vernachlässigt würden, seit ich aktiver Teil des Kulturbetriebs bin; also seit rund einem halben Jahrhundert.

Diese Klage gehört in Österreich zur Folklore. In jenem Teil des heimischen Brauchtums gilt jeder Realitäts-Check als eher störend. Könnte einem freilich egal sein. Ich bin Lyriker. Es ist mir also nicht ganz egal.

Darf ich als bekannt voraussetzten, daß es in Österreich nur sehr wenige Kunstschaffende gibt, denen es möglich ist, mit rein künstlerischer Arbeit ein angemessenes Jahreseinkommen zu erwirtschaften?

Das bedeutet, ein Leben in der Kunst ist in den meisten Fällen mit einem Broterwerb im kunstnahen Bereich verbunden; oder in ganz anderen Branchen. (Ich schätze, das ist bei mehr als 90 Prozent aktiver Kräfte der Fall.)

Leykam und Styria sind „Kategorie Tanker“, aber Lyrik? Kaum noch.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Ich meine, daß wir keine zehn Prozent heimischer Kunstschaffender benennen können, deren Existenz durch die künstlerische Arbeit gesichert ist. Dazu kommt unausweichlich, daß der etablierte Betrieb immer wieder jene Bereiche verlieren wird, die betriebswirtschaftlich nicht funktionieren.

Markttauglichkeit?
Daher gibt es Nischen für spezielle Werke, die nicht markttauglich sind, aber künstlerisch als relevant empfunden werden. Markttauglichkeit und künstlerische Relevanz sind ja zwei völlig verschiedene Kategorien. Das sollte ich nicht erst erklären müssen, es handelt sich da um Basics.

Das auszugleichen kennen wir Varianten wie das Mäzenatentum. Sponsoring, Förderungen seitens des Staates, also ganz verschiedene Finanzierungsmodelle, damit es etwa Lyrik in Buchform geben kann. Rund um meine Notiz merkte Verlegerin Anita Keiper an: „Seit mehr als einem Jahrzehnt gibts die Reihe keiper lyrik. Zwei bis drei Bände im Jahr. Just saying…“

Das sind derzeit 30 Bände. Der durchschnittliche Verkaufspreis beträgt rund fünfzehn Euro. Haben Sie sich schon einmal vor Augen geführt, welche Arbeitsschritte mit welchem Arbeitspensum nötig sind, um ein Buch auf den Markt zu bringen? Ist Ihnen geläufig, was dann noch bezüglich Vertrieb und anderer Details an Arbeitsaufwand gefordert ist, um ein Buch auf dem Markt präsent zu halten und auch zu verkaufen?

Business
Ich kürze ab. Zehn Prozent vom Verkaufspreis ist in dieser Branche ein gutes Autorenhonorar. Zehn weitere Prozent gehen an Mehrwertsteuer ab. Über 60 Prozent bleiben beim Handel, wenn dort Bücher auf Lager gehalten und verkauft werden sollen. Sind also schon einmal rund 80 Prozent weg. Mit dem Rest muß der Verlag zurechtkommen.

Literarische Qualität reicht keinesfalls für so einen Sticker. Da muß schon ein Konzern mit Know how und Budget zur Sache gehen.

Vielleicht dämmert nun einigen Leuten in der Community, daß es auch Autorinnen und Autoren ein Anliegen sein könnte, über konkretes Handeln beizutragen, daß die Präsenz von Lyrik und das Interesse daran innerhalb des Kulturbetriebs zunimmt. Was zu tun wäre? Lassen Sie sich was einfallen!

Wer meint, daß es genügt, Texte zu verfassen, alles andere werde sich finden, sollte wenigstens in der Gewichtsklasse von Thomas Bernhard oder Thomas Pynchon schreiben. Dann läuft das vielleicht auch so.

Oder, um bei der Kategorie Lyrik zu bleiben: Wer sich in der Liga eines Pablo Neruda wähnen darf, wird sich vielleicht bloß auf das Schreiben konzentrieren können. In unseren Reihen mag eher gelten: Wenn ich mich um die öffentliche Verfügbarkeit meiner Lyrik nicht schere, weshalb sollten andere Leute das tun?

Überblick
+) Lyrik (Ein Schwerpunkt)
+) Lyrik #8: Marktlagen und Engagement
+) Die Reihe „keiper lyrik“

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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