Willibald Moll war 17 Jahre alt, als am 4.4.1945 fiel und in Gleisdorf verscharrt wurde. Kaum mehr als vier Wochen danach war der Krieg zu Ende, Hitlers Regime militärische geschlagen.
Mehr müßte dazu eigentlich nicht gesagt werden. Es ist freilich klar, daß in alten Zeiten die Knaben ab dem Fünfzehnten als waffenfähig galten. (Allerdings war das bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts bei sehr vielen Männern schon die Lebensmitte.)
Heute wäre das einfach ein Lehrbub. Oder ein Mittelschüler. Ein junger Kerl, der vielleicht grade für ein bestimmtes Mädchen schwärmt, Geld spart, zu dem ihm die Eltern dann den Rest dazugeben würden, damit es für den Führerschein reicht.
Ich muß doch niemandem erklären, daß Willi im April 1945 einen ebenso nutzlosen wie sinnlosen Tod erlitten hatte. Bis heute gehen manche Menschen mit solchen Kategorien sehr salopp um. Vielleicht erinnern Sie sich, daß der Publizist Michael Jeannée vor einigen Jahren einen minderjährigen Bankräuber, der gestellt und erschossen wurde, so kommentierte: „Wer alt genug ist zum Einbrechen, ist auch alt genug zum Sterben.“
Wenn sich jemand auf solche Art im Lager der Menschenverachtung eingerichtet hat, wird in solchen Sätzen den Begriff „Einbrechen“ bei Bedarf leicht durch andere Begriffe ersetzbar. Das mit Gott und dem Vaterland hatten wir schon, mit Volk, Reich und Führer ebenso.
All das ist in so viel Propaganda gehüllt, da haben andere Motive kaum noch Platz. Freilich weiß auch ich einige gute Gründe zu nennen, für die man wehrhaft sein sollte. Aber es bleibt heute vor allem das herauszuarbeiten, was eigentlich der Fall ist.
Wenigstens seit dem amerikanischen Bürgerkrieg wissen wir allerhand über Schlachtfelder, auf denen Handfeuerwaffen liegengeblieben sind. Darunter Waffen die nicht abgefeuert wurden. Auch Waffen, die auf eine Art überladen waren, daß man sie nicht abfeuern konnte. Und es gibt Evidenz bezüglich des Munitionsverbrauchs einzelner Einheiten.
Aus all dem läßt sich über einen großen Zeitraum feststellen, daß die meisten Kräfte in regulären Verbänden nicht gerne schießen, nicht häufig schießen, das Schießen sogar zu vermeiden suchen. Lassen wir in dieser Betrachtung Minderheiten wie Special Forces beiseite, die das Töten gründlich trainiert haben.
Gehen wir im Moment ebenso über Söldnertrupps hinweg, wie sie uns etwa als „Gruppe Wagner“ im russischen Überfall auf die Ukraine gezeigt wurden. Brutalisierte Menschen, teilweise aus Gefängnissen rekrutiert, Leute darunter, die außergewöhnliche Grausamkeit praktizieren und davon Videos verbreiten.
Bleiben wir bei einem Bild von regulären Soldaten, die aus eine zivilen Leben geholt und in die Schlacht geschickt wurden. Das Bild solcher Menschen deckt sich überhaupt nicht mit dem, was uns Actionfilme zeigen oder was Propaganda uns vorgaukelt. Die meisten Menschen, so auch reguläre Soldaten, sind nicht von Natur aus schießwütig.)
Und Willi in Gleisdorf? Man muß kein Prophet sein, um die Überzeugung zu vertreten, daß der siebzehnjährige Willibald Moll lieber gelebt hätte, statt in Gleisdorf begraben zu werden. Wo immer Kinder so eingesetzt und untergepflügt werden, steht das im Widerspruch zur menschlichen Natur.
Anders ausgedrückt, es ist nicht unsere Natur, uns in großen Verbänden zu organisieren, zu bewaffnen, um zu töten. Es bedarf daher kultureller Anstrengungen, um solche Bilder zu revidieren. Der schießwütige Mensch ist die Anomalie.
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