Von alten Säcken und einigem Drumherum

Die „Facebook-Erinnerungsmaschine“ hat mir eben eine acht Jahre alte Notiz des Dottore aus dem Stapel gezogen.

Die Debatte hängt etwas in den Seilen.

Norbert Gall hatte in passendem Outfit gefragt: „Was heißt hier alter Sack?!“ Das ist, so finde ich, eine sehr gute Frage, über die man nicht einfach hinweggehen sollte. Dazu paßt, daß ich am Tag davor in meiner Timline eine Notiz hinterlegt hatte, auf die ich durch Werbung für Wanderschuhe gekommen war, in der es hieß, sie seien „für ältere Männer“ vorzüglich geeignet. (Es ging um „Orthopädische schmerzlindernde Herrenschuhe”.)

Die Antworten könnten Bibliotheken füllen.

Ich schrieb: „so geht das! klartext! denn wenn ich auf diesen doofen euphemismus ’senioren‘ stoße, fallen mir augenblicklich die ohren ab und ich kippe in ein spontan-koma. ich halte auch all jene für schnösel, die sich als ‚junggeblieben‘ erklären, ohne je offenzulegen, was genau das besondere merkmal singulärer exzellenz sei, das im ‚jungsein‘ verborgen sein soll. und ganz unter uns, opossums! auch ein fünfzehnjähriger kann morgen plötzlich tot sein, während ich heute schon älter bin als es mein vater je wurde.“

Mir ist das Thema ein Anliegen, seit der 50er hinter mir liegt. Nun bin ich 68 und kann bloß erstaunt feststellen, daß es überwiegend unmöglich ist, das Altsein als etwas Vorteilhaftes zu erörtern, das gute Gründe beinhaltet, sich gegen diverse „trendige“ Zuschreibungen von außen querzulegen.

Dazu ein kleiner Dialogausschnitt, Autorin Eva Surma: „Jaja! Ich mag deinen Altmännergrant eh. Obwohl ich dich eher für eine Diva halte, so aus der Ferne.“ Ich dann: „damit bin ich einverstanden.“

Unternehmensberater Heimo Lercher hat dazu einen Denkanstoß vorgebracht, der einige sehr interessante Details hat: „Jetzt staune ich aber über die unverblümte Euphorie des Sprachfeinspitzes. Die Message vermeidet das abgelutschte S-Wort, wunderbar. (Warum sich übrigens rote Junggreise als Pensionisten und schwarze als Senioren verbünden, wäre einer gesonderten Betrachtung wert.) Jetzt aber zum Dilemma: Es gibt in jeder Gesellschaft alte Menschen, ältere Menschen und die ältesten Menschen. Ich frage mich seit einer gefühlten Ewigkeit, warum wir mit ÄLTEREN Frauen und Männern zwar grundsätzlich Betagte meinen, aber nur selten wirklich ALTE. Ja: ALTE, die – zieht man den Zweck eines Komparativs in Betracht – faktisch JÜNGER sind als ÄLTERE. Weißt du hier Rat, o gereifter Wandersmann?!

Ich sehe schon, da haben wir noch Arbeit vor uns. Ich meinte zu Lercher übrigens: „framing weist ja immer auf konkrete interessenslagen, was du besser weisst als sonst wer. ich vermute: eine menge begriffssedimente aus verschiedenen lagern.“

Ein Begriff hart am Rande des Tabus.

Dabei hatte ich unter anderem diese Passage seiner Post besonders im Auge: „Warum sich übrigens rote Junggreise als Pensionisten und schwarze als Senioren verbünden, wäre einer gesonderten Betrachtung wert.“ Das war mir bisher noch nie aufgefallen! (Ich setze als bekannt voraus, daß rot für die Sozialdemokratie steht und schwarz für Christlichsoziale.)

Wäre freilich August Tinauer noch zu erwähnen, der meinte: „also, das mitn Cabrio und den Frauen finde ich nicht sooo verkehrt“. (Da kann ich nicht widersprechen.) Sein inzwischen klassischer Roadster (ein Mazda MX5) hat ja eine andere Vorgeschichte als die von mir gemeinten Cabrios.

Micha Lanner fährt kein Cabnrio, sondern einen Rodster.

Und Ferdinand Micha Lanner, der einen noch viel klassischeren Roadster aus dem Hause Morgan fährt, meinte: „Ja, manchmal denke ich auch, die Werbefuzzies haben keine Ahnung, wie sich die vermeintliche Zielgruppe selbst sieht – ich bekomme regelmäßig Würgen wenn ich in Werbespots ‚Ältere‘ als Motivation gezeigt bekomme, die angezogen sind und Verhalten zeigen, wie ich es nie tun würde.“

Ich muß bei meiner Orientierung bleiben. Ich habe keine Lust, ein „Senior“ zu sein, sondern möchte unaufgeregt ein alter Mann werden, wozu offenbar Klärungsbedarf besteht, was diese Worte heute meinen.

Postskriptum
Ich werde bei Bedarf gerne erläutern, worin ich den Unterschied zwischen Cabrio und Roadster sehe.

PPS
Ich hab schon einige male angesetzt, mit dem Thema voranzukommen, zuletzt hier:
+) Steinwurf und Burgunder (Blicke und Debatten)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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