Rechtsruck: Trolle und Konsorten

„Martin, halt deinen linken Mund, bitte!“ Zugegeben, es entbehrt nicht einer gewissen Höflichkeit.

Wer auf Kosten andrer expandiert, muß Einwände zu hören bekommen.

Den Satz und andere Artigkeiten hat mir eben eine Schriftstellerin im Rahmen einer kleinen Meinungsverschiedenheit zugeschickt. Eine Frau, die nicht auf Argumente einzugehen gedenkt, die folglich nicht meine Überlegungen angreift, sondern gleich mich selbst.

Dabei hatte zuletzt vor allem Karl Popper empfohlen, daß Menschen nicht sterben müssen, wenn Ideen sterben dürfen. Das ist ein Beispiel für die Möglichkeit, Argumente zur Sache von Argumenten zur Person unterscheiden zu wollen. Für mich ergibt das ein simples Kriterium, damit ich klären kann, mit wem ich es zu tun habe.

Wer auf mich hinschlägt, statt auf meine Argumente, hat somit klar gemacht, worum es geht: Einen Raufhandel, in dem ich unterliegen soll. Das beeindruckt mich wenig, weil ich a) aus dem Gemeindebau komme und b) physisch wie intellektuell breit aufgestellt bin. Ich weiß daher auch, daß man bloß Zeit und Kraft vergeudet, wenn man sich mit solchen Konsorten zu lange befaßt. Man muß den Moment des Ausstiegs selbst bestimmen.

Soll man sich dann mit übergriffigem Gehampel überhaupt beschäftigen? Kommt drauf an! Das Was und Wie entscheidet ebenso wie der Kontext. Aus meinen frühen Netzkulturtagen in der zweiten Hälfte der 1980er hab ich diesen Satz behalten: „Don’t feed the Troll!“. Es ist im Netz so gewesen, wie im Realraum, wenn man die Zielperson für Stalking wird.

Auch wenn es ein Weilchen still war, stellt jede Reaktion auf Stalker-Schritte die Stalking-Uhr wieder auf Null. Alles beginnt von vorn. Trolle/Stalker geben freiwillig meist nicht auf. Heutige Social Media funktionieren aber anders als die Special Interest Groups von einst. Die Verzahnung mit dem analogen Leben im Realraum kann sehr viel stärker ausfallen.

Wenn sich besondere Schätzchen in mein Leben zu schrauben versuchen, wie es etwa der Schnösel vom Kulm getan hat, entscheide ich sehr schnell, wann ich jede Kommunikation abbreche. Zugleich haben manche Quälgeister die Qualität zum Fallbeispiel. Also werden sie von mir eventuell a) anonymisiert und b) im authentischen O-Ton als Anschauungsmaterial genutzt.

Rabauken müssen in die Schranken gewiesen werden.

Was mag Menschen bewegen, andere Leute zu bedrängen, auch zu schikanieren, sich in einer Gemeinschaft als Nervensäge hervorzutun? Aus den Gründen dafür läßt sich gewiß eine lange Liste erstellen. In vielen Fällen werden sie die drei folgenden Punkte leicht finden können.

1) Selbstdefinition durch Feindmarkierung
Ein schwächelndes Ego kann sich eben nicht aus eigener Kraft aufrichten, benutzt andere, die herabgewürdigt werden. Der billigste Weg, um sein Selbstwertgefühl zu heben.

2) Erosion von Normen
Sie kennen das gewiß auch von anderen Gebieten: Wenn etwas ethisch verpönt ist oder gar als unsagbar gilt, kann man solchen Bann beschädigen, oft auch einreißen, wenn man sich permanent einen Schritt weiter wagt. Es ist so wie mit dem Schlagen von Ehefrauen und Kindern. Wird der Bann nicht von Umstehenden ständig aufrecht erhalten, schreitet die Brutalisierung einer Gesellschaft fort, da die Normen erodieren.

3) Erschütterung des Grundvertrauens
Wenn inzwischen ganze Rudel auf Berufsgruppen einschlagen und permanent Polemiken raushauen, damit verallgemeinern, abwerten, hat das in einem Gemeinwesen deutliche Konsequenzen. Die Wissenschaft, die Ärzteschaft, die Lügenpresse, die Feministinnen, die politische Klasse etc. In solchen Konzerten der Erschütterung des Grundvertrauens innerhalb stabiler Gemeinschaften mit tauglichen Institutionen kann sich dann so mancher Depp leichter wichtig machen, hervortun.

Wir müssen uns darin üben, angemessene Einwände vorzubringen, wenn jemand auch bloß Gewalt durch Sprache anwendet, vom realen Zuschlagen ganz zu schweigen. Hier gilt eben auch in vielen Fällen: Wer schweigt, stimmt zu. Das ist der Effekt, falls Rabauken nicht in ihre Schranken gewiesen werden. [Fortsetzung]

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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